Im Zahnradbahn-Gespräch plaudert der schwäbisch-spanische Geschäftsmann Eduardo Garcia aus, wie er türkischen Käse, die Kickers und den VfB unter einen Hut gebracht hat.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - E

 

duardo Garcia setzt die Gesetze des Zahnradbahn-Gesprächs kurzerhand außer Kraft. In diesem Fall ist es auch wirklich schlüssiger, sich nicht an das Schema zu halten. Das besagt, auf der Fahrt nach oben über die Höhepunkte der Karriere zu sprechen, und talwärts über die Tiefpunkte. Weil die Zacke-Strecke für Eduardo Garcia aber so etwas wie eine Lebenslinie ist, wird diesmal ganz chronologisch vorgegangen. Die Geschichte des heute 67-Jährigen beginnt am Marienplatz und führt nach Degerloch.

„Hier ums Eck, in der Böblinger Straße bin ich aufgewachsen“, sagt Garcia, als er in der Zahnradbahn Platz genommen hat: „Ich bin in die Heusteigschule gegangen und habe auf dem Schickhardt-Gymnasium das Abitur gemacht.“ Mittlerweile wohnt er in Degerloch. Da hat sich einer am Stuttgarter Hang hochgearbeitet, könnte man sagen. Mit der Folge, dass er nicht nur ein Herz für den VfB im Tal hat, sondern auch für die Kickers auf dem Berg. Was auch gut zu einer Zacke-Fahrt mit dem Chef der Firma Garmo passt. Beide Stuttgarter Fußballclubs hat er gesponsert und seinen Markennamen Gazi auf die Brust der Trikots gesetzt. Beim VfB war er Aufsichtsrat, und das Degerlocher Stadion ist nach den Milchprodukten seiner in Stuttgart-Wangen ansässigen Firma benannt.

Zunächst erzählt Eduardo Garcia aber von seiner Kindheit. „Ich habe meinen Namen gehasst“, sagt er, „hätte viel dafür gegeben, wenn ich Meier, Müller oder Schmidt geheißen hätte.“ Stattdessen hieß es bei jedem neuen Lehrer so oder so ähnlich: Aha, Garcia, ein Ausländerkind haben wir hier also. Als solches hat er sich aber immer nur dann gefühlt, wenn er auf seinen Namen angesprochen wurde. Den hat er seinem spanischen Vater zu verdanken, der im Zweiten Weltkrieg in Francos Luftwaffe an der Seite Hitler-Deutschlands kämpfte, über Russland abgeschossen wurde und nach der Gefangenschaft in Stuttgart landete. „Hier hat er meine Mutter kennengelernt. Zur Hochzeit ist niemand von ihrer Verwandtschaft gekommen.“ So viel von Eduardo Garcia zur damaligen deutschen Weltoffenheit.

Der Kontakt zum spanischen Vater brach früh ab

Nach vier Jahren war der Vater weg, weitergezogen nach Südamerika. Der Kontakt zu ihm brach komplett ab, die Beziehung zur Mutter wurde umso enger. „Ich habe ihr alles zu verdanken, sie ist viel zu früh gestorben.“

Den Namen Garcia, mit dem er einst überhaupt nichts anfangen konnte, trägt er heute mit Stolz. Stolz ist er auch auf den Landesverdienstorden, der ihm verliehen wurde, dass er in der Jubiläumsfestschrift des Schickhardt-Gymnasiums porträtiert worden ist und dass er einst vor dem damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler eine Integrationsrede halten durfte.

Das zeitverzögerte Bekenntnis zu seinen spanischen Wurzeln ist auch an den Namen seiner Kinder abzulesen, die Manuel und Carmen heißen. Ebenso daran, dass er irgendwann Spanisch gelernt hat.

Kurz vor der Zacke-Mittelstation Wielandshöhe: Eduardo Garcia springt von seinem Sitz auf, um die jetzt freie Sicht auf Stuttgart zu genießen. „Schauen Sie sich diese schöne Stadt an. Von hier kann man doch nicht wegziehen“, sagt der frühere Jugendkicker von Germania Degerloch, der nur ein kurzes Gastspiel in Augsburg eingelegt hat, um Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Zuvor hatte er auch beim VfB Fußball gespielt, bis ihm gesagt wurde, er sei zu klein. Dann eben Schwimmen, beim MTV im Heslacher Hallenbad.

Der große sportliche Erfolg blieb aus, dafür stellte sich nach dem Studium ganz schnell der geschäftliche ein. Mit einer verwegenen Idee. Von der ließ sich Garcia auch nicht abbringen, nachdem viele sagten: totaler Käse. Eben. Milchprodukte sollten es sein, die die vielen türkischen Einwanderer in der neuen Heimat vermissten: Schafskäse, Ayran und Co.

Dieses Geschäft lief bald besser als der Handel mit deutschen Lebensmitteln in den Iran und Saudi-Arabien. Dort sorgte Garcia zwischenzeitlich auch dafür, dass alkoholfreies Stuttgarter Bier in den Handel kam.

Eduardo Garcia konzentrierte sich irgendwann ganz auf Milchprodukte. Auf den Namen Gazi, was so viel wie „Kriegsheld“ bedeutet, kam einer seiner Lkw-Fahrer. Garcia gefiel er, ohne die Bedeutung zu kennen. Etwas anderes hatte er dafür gleich ergründet.

„Als Folge meiner eigenen Familiengeschichte hatte ich ein Gespür dafür, was den Leuten fehlt“, sagt Garcia, der in seiner Anfangszeit immer wieder auch die Missgunst seiner türkischen Mitbewerber zu spüren bekam, sich aber trotzdem am Markt durchgesetzt hat.

So sorgt seit vielen Jahren ein Schwabe mit spanischem Namen dafür, dass sich Türken in Deutschland wohler fühlen. International gedacht, regional gemacht – so könnte ein Gazi-Slogan lauten. 52 000 Tonnen Käse, Milch und Joghurt bringt die Firma jährlich auf den Markt, die in 50 Länder exportiert werden, nachdem die Ware zum Großteil aus Molkereien in Crailsheim und Schrozberg kommt. Ausgerechnet in der Türkei stehen die Gazi-Milchprodukte aber aufgrund von Zollhindernissen nicht im Regal. Und trotzdem kennt so ziemlich jeder Türke die Stuttgarter Marke Gazi.

Für die Reklame ist Kahraman Erdin zuständig, ehemaliger VfB-Profi und Kickers-Geschäftsführer. Zum Sport hat ja sein Chef schon immer eine enge Beziehung gepflegt. So wie zum früheren VfB-Trainer Christoph Daum, der auch nach seinem Kokainskandal weiter für Gazi werben durfte. Garcia meint: „In guten wie in schlechten Zeiten.“ Als wäre das ein Stichwort gewesen. „Gibt es ja nicht. Da drüben macht meine Frau einen Spaziergang“, sagt Garcia auf dem Weg zurück zum Marienplatz und winkt kurz hinter der Haltestelle Nägelestraße gut gelaunt aus dem Fenster.

Tue Gutes und rede darüber

„Wo waren wir stehen geblieben?“ Beim beruflichen Erfolg und was daraus resultiert. „Soziales Engagement“, sagt Eduardo Garcia, der nach dem Motto verfährt: Tue Gutes und rede darüber. Über ein Waisenhausprojekt in der Türkei, das er seit 17 Jahren, unterstützt oder die Sprachförderaktion „Fußball trifft Kultur“. Zurück zum Fußball, zurück zum VfB Stuttgart. Hier ist Eduardo Garcia in dieser Saison mit Gazi wieder präsent. Als Trikotsponsor auf dem Ärmel, einer neuen Werbefläche in der Bundesliga. „Wer nicht wirbt, der stirbt“, lautet ein weiteres zentrales Motto von Eduardo Garcia.

Mit diesem Comeback beim VfB war nicht unbedingt zu rechnen gewesen, nachdem 2015 der Aufsichtsrat des Bundesligisten von den Mitgliedern nicht entlastet worden war. Der Vorsitzende des Kontrollgremiums, Joachim Schmidt, und Stellvertreter Eduardo Garcia zogen die Konsequenz in Form von Rücktritten. Eduardo Garcia könnte es jetzt beruhigen, dass ein Jahr später sowohl dem neuen Aufsichtsrat als auch dem Vorstand die Entlastung verweigert wurde. „Das ist mir egal“, sagt einer, der von sich behauptet: „Ich bin süchtig nach Erfolg.“

Aber eines will Eduardo Garcia beim Thema VfB noch klarstellen. „Mir wurde auf der Mitgliederversammlung vorgeworfen, dass ich auf dem Weindorf im privaten Rahmen über den damaligen Trainer Alexander Zorniger gesagt habe, er sei ein Bauer. Falsch. Ich habe gesagt, dass er ein Bauernspitz ist, weil sein Auftreten in der Öffentlichkeit meiner Meinung nach nicht in Ordnung war.“

Marienplatz – Endstation. „Ich muss jetzt schnell zurück in die Firma“, sagt er, weil er wieder den Patriarchen in sich spürt, der nach dem Rechten schauen muss. „Kommen Sie mich doch mal besuchen.“ Warum eigentlich nicht?