Wegen Materialmangel, Fledermäusen und einer Menge Bürokratie: Die neue Zugverbindung von Calw nach Renningen gerät ins Stocken.

Eigentlich sollte die Hesse-Bahn im Jahr 2023 fahren. Doch aus diesem Plan wird nichts. Der Starttermin ist nicht zu halten. Das Jahrhundertprojekt wird Verspätung haben – wie lange, das lässt sich derzeit noch nicht sagen. Die Gründe sind vielfältig. Und sie liegen nicht nur im Einflussbereich des Calwer Landratsamtes.

 

Infrastrukturdezernent Andreas Knörle und Michael Stierle, Geschäftsführer des Zweckverbands Hesse-Bahn, verkündeten die „erhebliche“ Verzögerung des Jahrhundertprojekts im Gespräch mit unserer Redaktion. Wie viel Verspätung die Hesse-Bahn tatsächlich haben wird, können die beiden nicht sagen. Eine genaue Zahl ist ihnen nicht zu entlocken. Fest steht nur, dass sie irgendwann fahren wird, nur nicht wann genau. Bekannt ist: Wegen der engen Zeitfenster beim Bauen und der Abhängigkeit der einzelnen Gewerke voneinander, ist nicht mal eine Inbetriebnahme 2024 garantiert, sagt Janina Dinkelaker, Sprecherin des Landratsamts.

Viele Materialien gehen ins Ahrtal

Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle. Einer davon ist mit Sicherheit die geopolitische Weltlage, aber auch die Geschehnisse im Ahrtal haben ihre Wirkung auf die Hesse-Bahn. „Denn dorthin geht gerade das ganze Fachmaterial wie Signale, Weichen und anderes“, berichtet Stierle. „Und dieses Material ist eben keine Massenware, sondern Manufakturware.“

Einfluss auf das Projekt hat auch die Europäische Union (EU). So läuft das EU-Verfahren in Bezug auf den an der Strecke vorkommenden Steinkrebs bereits seit 2018 – und ist noch immer nicht abgeschlossen. Ein anderes Verfahren, das eine wichtige Rolle spielt, ist das Planfeststellungsverfahren für die Kammerlösung an den Bestandstunneln zum Schutz der Fledermäuse. Das liegt in den Händen des Regierungspräsidiums Karlsruhe – „und der Prüfungsaufwand dafür ist sehr viel höher als bei anderen Verfahren“, so Stierle. Unter anderem muss ein 1400 Seiten starkes Gutachten dafür erstellt werden. Dazu kommt, dass in den Tunneln nur in fünf Monaten im Jahr gearbeitet werden darf – von Mai bis September. In allen anderen Monaten herrscht für die Tunnel ein Betretungsverbot.

Auch der Schutz der Fledermäuse verzögert das Projekt

Für Andreas Knörle ist der entscheidende Grund für die Verzögerung klar: Es sind die Maßnahmen rund um die Fledermäuse, die das Projekt ins Stocken bringen. Doch beschweren will man sich im Calwer Landratsamt darüber nicht: „Die Verfahren sind wie sie sind. Und es gibt dafür auch keine Alternative“, analysiert der Infrastrukturdezernent. „Wir warten jeden Tag auf die Bestätigung“, sagt Janina Dinkelaker. Sollte sich aber alles so weit verzögern, dass ein Abschluss innerhalb der vorgegebenen Bauzeiten nicht mehr möglich wäre, verschiebe sich alles um weitere Monate nach hinten.

Auch wenn Vieles nur schleppend vorwärts geht, so kommt das Projekt Hesse Bahn insgesamt dennoch voran: Der Neubau des Iristunnels am Hacksberg laufe wie geplant, die Sanierung der Bestandstunnel ist abgeschlossen. 2023 geht es am Calwer ZOB los. Der neue Bahnsteig samt notwendigem Gleis am Bahnhof Renningen ist aktuell im Bau. Beide sind notwendig, da die Kapazitäten am Bahnhof Renningen wegen der S 60 nach Böblingen ausgeschöpft sind. Die Fertigstellung ist für das erste Halbjahr 2023 geplant. Zudem laufen die Arbeiten an dem zusätzlichen, nicht für den Regelbetrieb gedachten Bahnsteig im Bahnhof Weil der Stadt. Dort kann die Hesse-Bahn halten, wenn der Hauptbahnsteig von der S-Bahn belegt sein sollte. Auch hier rechnet der Kreis Calw mit einer Fertigstellung im ersten Halbjahr 2023.

„Wir hoffen auf 2024“, sagt Janina Dinkelaker mit Blick auf den Starttermin. „Uns ist aber auch wichtig, zu betonen, dass das Projekt nicht in Gefahr ist, auch wenn es sich verzögert. Wir bauen hier für mehrere Generationen, für die nächsten 50 bis 60 Jahre.“