Wer mit einer „Dash-Cam“ einfache Blechschäden dokumentieren will, hat das Gerät umsonst gekauft. Das Landgericht Heilbronn hat solche Aufnahmen nicht als Beweis zugelassen.

Tamm - Das Spielzeug war nicht teuer. Ein Autofahrer, nennen wir ihn Hans Müller, hat für sein Auto eine Dashcam (gebildet aus Englisch „Cam“ für Kamera und „Dash“ aus „Dashboard“ für Armaturenbrett) gekauft. Eine Kamera also, die er hinter die Windschutzscheibe hängen kann, um von dort aus das Geschehen auf der Straße zu filmen. Das Modell mit Nachtsichtfunktion ist im Internet für rund 50 Euro erhältlich. Müller hoffte, dass ihm eine damit aufgezeichnete Szene nach einem Verkehrsunfall helfen könne – als Beweis, dass eine andere Verkehrsteilnehmerin zumindest teilweise Schuld an einer Kollision bei Tamm war.

 

Doch die 50 Euro hätte Hans Müller sich sparen können. Das Landgericht Heilbronn hat jetzt entschieden, dass solche Filme als Beweismittel vor Gericht nicht taugen. Das bloße Filmen anderer Verkehrsteilnehmer ohne deren Zustimmung oder Wissen sei ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Somit seien Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel in Zivilprozessen generell nicht geeignet.

Müller hatte mit seinem kamerabestückten Auto vom Industriegebiet Tamm-Nord auf die Bietigheimer Straße einbiegen wollen. Dort war zu diesem Zeitpunkt ein etwa 200 Meter langer Stau. Weil er nach links Richtung Bissingen fahren wollte, tastete er sich mit seinem VW-Passat auf die Straße vor, ein anderer Autofahrer ließ ihn einfädeln, damit er auf die Linksabbiegespur fahren konnte. Dort war aber zu diesem Zeitpunkt eine Motorradfahrerin unterwegs, die mit Müllers Auto kollidierte.

Das Amtsgericht Besigheim war im Mai 2014 zum Urteil gekommen, dass Hans Müller allein Schuld an dem Unfall ist. Doch dieser legte Berufung ein. Mit seinen Aufnahmen der Dashcam wollte er beim Landgericht Heilbronn belegen, dass die Motorradfahrerin viel zu schnell gefahren sei – und ihr damit zumindest eine Teilschuld an dem Unfall zukomme.

Doch die Heilbronner Richter weigerten sich, die Aufnahmen auch nur anzuschauen, unter anderem weil „die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs“ gegen mehrere Gesetze verstoße. Eine Berufung ist nicht zulässig. Auch eine Revision wurde von den Richtern nicht explizit erlaubt. Müller könnte dagegen also nur vorgehen, wenn er das Oberlandesgericht davon überzeugt, dass es um eine grundsätzliche, wichtige Angelegenheit geht – und das bei einem Streitwert von nur rund 800 Euro.

Das Heilbronner Urteil ist nicht das erste, in dem Dashcams als Beweisquelle ausgeschlossen werden. Laut den Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern gilt der Einsatz von Autokameras in aller Regel als nicht zulässig. „Sobald unwissende Dritte von den Aufnahmen betroffen sind, wird es problematisch“, erläutert Sabine Stollhof, die Referentin für Videoüberwachung beim baden-württembergischen Datenschutzbeauftragten.

Oft werde ihre Behörde gefragt, „warum diese Kameras überhaupt verkauft werden, wenn deren Anwendung verboten ist“. Doch einerseits sei der Verkauf nicht identisch mit dem Einsatz der Geräte. Andererseits sei „nie auszuschließen, dass es Fälle gibt, in denen die Aufnahmen verwertbar sein können“, sagt Stollhof. Wenn etwa ein Unfall mit Todesfolge und Fahrerflucht durch solche Aufnahmen aufgeklärt werden könne, dann könnten Richter zu dem Schluss kommen, dass die Aufnahmen zwar unzulässig entstanden sind, die Verwertung jedoch wegen der Schwere des Vergehens zugelassen werden könne. „Es kommt auf den Einzelfall an.“