Nur der in den Vereinsgremien isolierte Präsident Claus Vogt scheint noch von den Machenschaften, die den VfB seit Wochen ergriffen haben, zu profitieren. Zumindest legt diesen Eindruck ein weiterer Artikel des „Spiegels“ nahe. Darin wird aus einem juristischen Gutachten zitiert, das den viel diskutierten Abschlussbericht der Beratungsagentur Esecon zur Aufklärung der Datenaffäre bewertet.
Wie lief das mit minderjährigen Mitgliedern?
Die Kölner Kanzlei Seitz hat diesen Bericht für den Verein erstellt, und er wirft weitere Schatten auf die Vorkommnisse zwischen 2016 und 2018. So sollen auch Daten von Jugendlichen unberechtigt an einen externen Dienstleister weitergeben worden sein. Alles mit dem Ziel, sie wie die volljährigen Mitglieder ungeahnt zu beeinflussen und pro Ausgliederung zu stimmen. Das Ungeheuerliche dabei: Man hatte deren 18. Geburtstag im Zusammenhang mit dem Termin des geplanten Ausgliederungsvoting 2017 im Blick. Ein weiterer Vorwurf voller Brisanz ist das. Zu dem sich der Präsident Claus Vogt äußert, der Vorstandsvorsitzende der AG, Thomas Hitzlsperger, aber laut dem Hamburger Nachrichtenmagazin schweigt. Er habe keine Kenntnis, aber sollte dies zutreffen, „wäre dies ein weiteres unverzeihliches Vorgehen“, sagt Vogt. Und schon lange wartet die VfB-Anhängerschaft darauf, dass in Sachen Datenaffäre reiner Tisch gemacht wird.
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Doch der Prozess dauert an, und dahinter wird Kalkül vermutet, um betroffene Mitarbeiter zu schützen. Dagegen verwehrt sich Hitzlsperger auf das Schärfste. Er will, so bald alles sauber aufgearbeitet ist, mögliche Konsequenzen verkünden. Das hat er mehrfach betont. Das Heft des Handelns hat er jedoch nicht mehr in der Hand, weil andere schneller sind.
Auf Anfrage äußerte sich das Präsidium jedoch nicht zu den kritischen Entwicklungen. Als „vereinsrechtlich rechtswidrig“ werden die Maßnahmen des mutmaßlichen „Guerilla-Marketings“ in der Seitz-Expertise eingestuft. Zudem sei die Stimmabgabe 2017, bei der im Stuttgarter Stadion 84,2 Prozent für den Einstieg des Ankerinvestors Daimler stimmten, „anfechtbar“. Für die verantwortlichen und involvierten Personen könnten deshalb „dienst- und vereinsrechtliche Konsequenzen folgen“, heißt es weiter.
Für Vorstands- und Präsidiumsmitglieder wird es eng
Bei den AG-Vorständen Stefan Heim und Jochen Röttgermann geht es offenbar um eine Abberufung, eventuell seien sie „aus wichtigem Grund kündbar“. Bei dem Präsidiumsmitglied Rainer Mutschler liegt laut den Juristen ebenfalls eine Abberufung auf der Hand, es werde sogar ein Vereinsausschluss diskutiert. Als Handlungsoptionen werden diese personellen Szenarien bezeichnet. Dennoch geraten die VfB-Granden weiter unter Druck. Obwohl die Kanzlei Seitz ja nur ein Gutachten erstellt und zuletzt innerhalb des Präsidiums mächtig darüber gestritten wurde, wer das Mandat dazu erteilt hatte.
Esecon soll es gewesen sein – und diese Firma wurde wiederum von Vogt ins Spiel gebracht. Allerdings soll bei der Auftragserteilung an die Berliner im vergangenen Herbst die juristische Bewertung des Sachverhalts herausgenommen worden sein, um die Ermittler nicht gleichzeitig zu den Richtern zu machen, heißt es beim VfB. Zu den Irrungen und Wirrungen, in die sich die Führung verstrickt hat, gehört ebenso, dass insgesamt drei Kanzleien juristische Bewertungen vornehmen – Gleiss Lutz noch für den Aufsichtsrat und Osborne Clarke für den Vorstand.
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Herauskommen werden wohl vier Meinungen, und schon jetzt steckt die Hitzlsperger-Fraktion in Erklärungsnot, was Mutschler anbelangt. Der einstige Marketingmann arbeitet mittlerweile als Organisationschef im Nachwuchsleistungszentrum für die AG und sitzt im Präsidium des e.V. In letzterer Funktion trug er mit seiner Stimme zur Verlegung der Mitgliederversammlung vom 18. auf den 28. März bei. Gemeinsam mit Bernd Gaiser überstimmte Mutschler den Präsidenten – für eine zeitnahe virtuelle Veranstaltung anstatt einer deutlich späteren Präsenzveranstaltung, wie sie Vogt vorschwebt.
Der Konflikt im obersten Vereinsgremium spiegelt nicht nur die Zerrissenheit im VfB wider, sondern ebenfalls die schiere Unfähigkeit zur Kommunikation. Am Mittwochabend wurde der Beschluss gefasst, zehn Tage später als vorgesehen eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen – Präsidentenwahl inklusive. Doch danach passierte nichts. Die interne Auseinandersetzung über Erklärungen sowie Haftungs- und Rechtsfragen lähmt das Präsidium. Denn Vogt hält seinen Widerstand aufrecht und will diesen in den Formulierungen an die Mitglieder wiedergeben. So erhalten die VfB-Anhänger weiter keine Informationen oder Antworten auf drängende Fragen.