Big Data im Alltag: Eine IT-Firma aus Bernhausen macht es jetzt möglich, Marktdaten von den Rohstoffmärkten vorausschauend und direkt in die Alltagsentscheidungen einer Firma einfließen zu lassen.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Bernhausen - Börsianer und Rohstoffhändler sind es heute schon gewohnt, mit leistungsfähigen Computern noch die kleinsten Zuckungen des Marktes zu verfolgen. Doch was der Bernhausener IT-Dienstleister All for One Steeb anbietet, macht Rohstoffpreise zu einem Indikator, der flexibel und transparent sogar einzelne Produktionsentscheidungen beeinflussen kann. Dafür braucht es keine sekundengenauen Berechnungen wie an der Börse. „Monatsdaten reichen völlig aus“, sagt Unternehmenschef Lars Landwehrkamp.

 

Neben dem viel genannten Bereich der vorausschauenden Maschinenwartung ist die Rohstoffanalyse einer der Bereiche, in dem die so genannte „predictive analytics“ zurzeit rasch Fuß fasst.

Das IT-Unternehmen arbeitet dabei mit einem Datenanbieter zusammen, der sich auf eine Vielzahl solcher Indizes spezialisiert hat, die er entweder von Rohstoffbörsen abgreift oder aus öffentlich zugänglichen Daten selber berechnet; 40 000 solcher Datensätze gibt es. Allein 10 000 verschiedene Indizes berechnet das Unternehmen exklusiv.

Rohstoffdaten - mit der internen IT vernetzt

Das Neue ist nun, dass diese externen Daten mit denen der internen Unternehmenssoftware vernetzt werden. „Wir können so beispielsweise den Rohstoffanteil an den Kosten eines Produkts abbilden“, sagt Landwehrkamp. Man kann nicht nur exakt verfolgen, wie der Rohstoffpreis die Herstellungskosten beeinflusst, sondern auch Vorhersagen treffen und die unterschiedlichsten Szenarien simulieren. Ab welchem Preis für die Rohstoffe gerät man unter Kostendruck? Inwiefern fällt bei einer Neukonstruktion die Rohstoffersparnis ins Gewicht? Und wohin entwickelt sich der Markt? „Das ermöglicht ein ganz anderes Risikomanagement, beim Einkäufer wie beim Lieferanten“, so der Firmenchef.

Eine Vielzahl von Parametern wird für die Prognosen zusammengeführt: Einkaufspreise, Wetterdaten, etwa in den Ursprungsländern von Agrarrohstoffen, Preissignale, Trends und Zusammenhänge der Vergangenheit. Moderne Datenverarbeitung macht dann die direkte Integration in die Geschäftsprozesse möglich. „Die eigentliche Software für solche Indizes ist nicht komplex, aber die Daten selbst und die Integration sind es“, sagt Landwehrkamp.

„Die hohe und steigende Preisvolatilität an den internationalen Rohstoffmärkten erfordert ein robustes Risikomanagement,“ heißt es in einer aktuellen Studie des Lehrstuhls Logistik an der TU München. Dort hat man ermittelt, dass etwa im Bereich Erdgas die Kosten innerhalb von rund zwei Jahren um acht bis elf Prozent hätten gesenkt werden können – etwa durch die bessere Absicherung gegen Preisschwankungen.

Besonders Einkäufer werden das System nutzen können. Im Nachhinein ist bis ins Detail nachvollziehbar, ob sie bei Preisverhandlungen alles herausgeholt haben. „Wenn der Lieferant über längere Zeit über den Preisen liegt, die mit der Datenanalyse festgestellt werden, dann bekommt er sicher ein Problem mit dem Einkäufer“, sagt Landwehrkamp. Für einen IT-Experten wie Landwehrkamp ist allerdings ein automatisiertes Einkaufssystem der logische nächste Schritt.

Planung sei bisher manchmal der Ersatz des Zufalls durch den Irrtum, sagt er scherzhaft auf die Frage, welche Rolle menschliche Erfahrung spielt. „Herkömmliches Einkäuferwissen dürfte damit überflüssig werden. Viel wichtiger werden hingegen intelligente Vereinbarungen, mit denen beide Seiten, Kunden und Lieferanten, gewinnen“, sagt Landwehrkamp. Viele Einkaufsentscheidungen seien gut zu standardisieren – und absolut überraschende Ereignisse könne auch ein Mensch nicht vorhersagen: „Denken Sie zum Beispiel an den Brexit“. Dank lernender System sei ein solches, vollautomatisches System auch genügend flexibel. Noch seien allerdings viele Unternehmen für einen solchen Schritt nicht reif und nutzten das System erst einmal nur als Informationsquelle.

Keine Sorge vor Datengläubigkeit

Sorge vor einer zu großen Datengläubigkeit hat Landwehrkamp nicht. Es komme darauf an, die Entscheidungsträger im richtigen Umgang mit solchen Prognosen und den verbleibenden Unsicherheitsfaktoren zu schulen: „Wer damit in den Unternehmen umgeht, hat damit aber grundsätzlich schon Kompetenz“.

In vielen Bereichen seien solche Vorhersagen im übrigen längst im Alltag angekommen: „Das gibt es im privaten Bereich doch auch schon“, sagt er – etwa Vorhersagekurven für die Preise von Flugtickets. Der industrielle Bereich hinke bisher eher hinterher, insbesondere weil diese Informationen bisher nicht in die vorhandenen IT-Systeme integriert sind. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.informationen-sind-rohstoffe-der-kampf-um-die-datenhoheit.a62834ed-b82f-4e9f-8384-ad788a14d567.html http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.industrie-40-forscher-schwoeren-industrie-auf-wandel-ein.57ad14a7-4079-4c26-be31-d55890bc6efa.html