Technisch sind die verschiedenen E-Book-Reader vergleichbar. Unterschiede gibt es im Datenschutz: Hier lohnt sich ein Vergleich.

Stuttgart - Das digitale Lesen macht Freude, vor allem weil es so bequem ist: Das digitale Buch lässt sich entweder auf dem Smartphone oder dem E-Reader lesen, ist also immer mit dabei. Die E-Reader sind nur so schwer wie zwei Tafeln Schokolade, und man kann auf ihnen fast 50 Regalmeter Bücher speichern. Neue Bücher lassen sich schnell auf das Gerät laden.

 

Wäre da nicht die Sorge, dass man mit dem digitalen Lesen zu viel über sich verraten könnte. „Immer wieder tragen die Buchhändler den Datenschutz an uns heran, weil die Kunden danach fragen“, sagt Marcel Berndt, Marketingleiter des E-Reader-Herstellers Pocketbook. Die Datenschätze können für den Einzelnen durchaus unangenehme Folgen zeigen, wenn Sicherheitsbehörden aus den Bücherbeständen eigene Schlüsse ziehen. So musste ein US-amerikanischer Imam mehrere Jahre unschuldig im Gefängnis verbringen, weil die Behörden einige Titel seines E-Book-Archivs zum Anlass nahmen, ihm terroristische Neigungen zu unterstellen. Die Zeiten, als der Besitz bestimmter Bücher lebensgefährliche Folgen haben konnte, sind in Deutschland nur wenige Generationen her. Und wer erinnert sich nicht an die Schlüsselszene im Film über die Watergate-Enthüller Bernstein und Woodward, als sie die Ausleihekartei der Kongressbibliothek nach dem entscheidenden Hinweis durchforsteten.

Amazon speichert Bestellhistorie seit fast 20 Jahren

Die beim Online-Händler Amazon gespeicherte Bestellhistorie kann bis 1997 zurückreichen – und damit ein Stück Persönlichkeitsentwicklung dokumentieren. Seit einiger Zeit befasst sich der Datenkonzern mit sogenannten Deep-Learning-Methoden. Dabei werden Computer-Algorithmen auf die Datenbestände losgelassen, um neue Verwendungszwecke zu erkunden. Bei Amazon können die Kunden die Datenspeicherung nicht auf ein oder zwei Jahre verkürzen. Sie müssen ihr Kundenkonto löschen, damit ihre Daten gelöscht werden. Allerdings werden damit nicht nur die Käufe aus jüngster Zeit gelöscht, die für Empfehlungen wichtig sein könnten. Auch E-Books und andere digitale Waren, die in der Amazon-Cloud gespeichert werden, sind damit gelöscht.

Amazon gilt international als Schrittmacher, was die Verarbeitung von Lesedaten anbelangt: Von Anfang an konnten seine Kindle-Lesegeräte und -Apps die zuletzt gelesene Seite anzeigen. Die Seite wurde auf den Rechner von Amazon gespeichert : egal mit welchem Gerät man das E-Book öffnete, wurde die aktuelle Lesestelle angezeigt. Inzwischen können das auch die Lesegeräte der Konkurrenz, da sie alle die Daten mit zentralen Rechnern in der Cloud synchronisieren. Dasselbe gilt auch für Notizen und Markierungen sowie Lesezeichen. Unterschiede gibt es aber darin, wie der Leser seine Daten selbst managen kann. So muss er etwa beim Kindle sich bewusst gegen die Synchronisierung entscheiden (Opt-Out), beim Pocketbook hingegen bewusst dafür (Opt-In). Datensparsamer ist natürlich die Opt-In-Variante.

Der Kindle zeigt außerdem an, wie lange es dauert, bis man das Buch voraussichtlich zu Ende gelesen hat. Das setzt voraus, dass die Blätter-Geschwindigkeit erfasst und berechnet wird. Pocketbook hat bewusst auf dieses Feature verzichtet. Marcel Berndt sagt: „Das ist ja, wie wenn man den Leser in einen Glaskasten steckt und eine unsichtbare Datenmaschinerie anwirft.“

Als „1984“ von den Kindles verschwand

Noch beeindruckender ist Amazons Fähigkeit, E-Books zu aktualisieren und zurückzurufen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Verlag Fehler korrigiert und eine neue Auflage herausgegeben hat – oder ein Buch wegen Urheberrechtsstreitigkeiten vom Markt genommen wird. Bekannt wurde dieses Feature erstmals 2009, als Amazon ausgerechnet die Romane „1984“ und „Animal Farm“ von George Orwell von den Geräten seiner Kunden löschte. Ein Verlag hatte die E-Books über den Kindle vertrieben, obwohl er nicht über die nötigen Rechte verfügte. Die Kunden erhielten den Kaufpreis erstattet.

Der große Unterschied aber zwischen Amazons Kindle und allen anderen Lesegeräten besteht in der Bindung an den Buchhändler. So bindet Amazon seine Leser rigoros an sich: Dort gekaufte E-Books können nur mit dem Kindle-Lesegerät gelesen werden. Kindle-Nutzer können zwar auch in anderen Online-Shops E-Books erwerben, müssen diese aber in das Amazon-eigene Dateiformat umwandeln können, wenn sie diese auf dem Kindle lesen wollen. Alle anderen Lesegeräte verbinden sich erst einmal mit ihrem eigenen Shop, lassen jedoch auch Käufe über den Internet-Browser bei anderen Online-Buchhändlern zu.

Bei Pocketbook legt der Kunde selbst fest, über welche Buchhandlung er seine E-Books beziehen will. Dabei kann er den kleinsten Buchhandel wählen und muss dennoch dank der erst im Dezember eingeführten Cloud nicht auf das Kindle-Nutzungserlebnis verzichten. Pocketbook kooperiert unter anderem mit dem Buchgroßhändler Umbreit aus Bietigheim-Bissingen, der für den Kauf von seinen Endkunden nur die Angabe einer Mail-Adresse verlangt und die Bezahlung per Paypal bei der Buchhandlung erlaubt. Damit ist ein nahezu anonymer Buch-Einkauf im Online-Buchhandel möglich. Lutz Saling, Leiter der Abteilung E-Commerce von Umbreit, hat das bewusst so entschieden: „Wir wollen so wenig wie möglich über die Endkunden wissen. Und wir haben alle Geschäftsprozesse so eingerichtet, dass sie dem Ablauf in der Buchhandlung entsprechen.“

Bietigheimer Buchhändler bietet anonymen Kauf an

Der Pocketbook-Nutzer muss hierfür nur eine Buchhandlung wählen, die mit Umbreit zusammenarbeitet. Diese pseudonyme Nutzung ist allerdings ein Marketingargument, das Pocketbook nicht offensiv nutzt. Denn seine anderen Buchhandels-Partner KNV und Buchmedia bieten die pseudonyme Nutzung den ihnen angeschlossenen Buchhändlern leider nicht in dieser Konsequenz.

Zwischen Amazon und Pocketbook ist das Tolino-System anzusiedeln, das den Lesern pseudonyme Nutzungsprofile erlaubt. Gleichwohl ist hier die Verknüpfung mit dem realen Leser dank seiner Bezahldaten möglich.

Bis auf den Kindle können alle E-Reader mit dem E-Book-Standard EPUB umgehen. Die EPUB-Dateien werden in der Regel mit dem Adobe-Rechtemanagement-System kopiergesichert. Die Geräte unterscheiden sich allerdings im Umgang mit der Adobe-ID, über die der rechtmäßige Besitz bezeugt wird. So verfügt etwa der Tolino über ein eigenes Rechtemanagement. Wenn der Nutzer seine Bücher auf ein anderes Gerät übertragen möchte, kann er sie im Nachhinein mit seiner Adobe-ID versehen. Anders ist das bei Pocketbook, wo die Adobe-ID von Anfang an vergeben wird, womit der Leser seine E-Books ohne weiteren Eingriffe auf andere Systeme übertragen kann. Während sich die E-Reader in ihren technischen Merkmalen wie Display, Gewicht oder Netzanbindung kaum noch unterscheiden, könnten die Unterschiede in Sachen Datenschutz und Kauffreiheit nicht größer sein. Ein genauer Blick lohnt sich hier also.