Experten befürchten, dass die neuen EU-weiten Datenschutzvorschriften unseriöse Anwälte auf den Plan rufen. Sie könnten die Rechtsunsicherheit ausnutzen, die die neue Verordnung in der Wirtschaft verursacht, und mit Abmahnungen Geld eintreiben.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Unternehmen und Betreiber von Internetseiten müssen sich auf Abmahnungen gefasst machen, wenn am 25. Mai die EU-Datenschutzverordnung scharf gestellt wird. Rebekka Weiß vom Branchenverband der IT-Wirtschaft Bitkom warnt: „Wir sehen die Gefahr einer erneuten Abmahnwelle.“

 

Nicht nur schwarze Schafe unter den Anwälten würden die Rechtsunsicherheit ausnutzen und versuchen, mit Abmahnschreiben Unterlassungserklärungen zu verlangen und Geld einzutreiben. Auch Unternehmen könnten Verstöße ihrer Konkurrenten zum Anlass nehmen, Abmahnungen zu schicken, sagt Weiß.

Das neue Datenschutzrecht sieht unter anderem strengere Informationspflichten für Unternehmen und Behörden vor, wenn sie die Daten von Verbrauchern und Bürgern speichern, verarbeiten oder an Dritte etwa außerhalb der EU weitergeben.

Datenschutzexperte Jan Albrecht (Grüne), der für das Europaparlament die neue Gesetzgebung mit den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten verhandelt hat, sagt: „Jedes Mal, wenn ein kompliziertes Gesetz geändert wird, kommt es naturgemäß zu Rechtsunsicherheit. Die Situation wird regelmäßig von der Abmahnindustrie ausgenutzt. Eine neue Klagewelle ist daher auch im Zusammenhang mit der Datenschutzgrundverordnung nicht auszuschließen.“

Schutz vor unseriösen Abmahnungen gefordert

Albrecht fordert vom deutschen Gesetzgeber, Verbraucher und Unternehmen besser gegen unseriöse Abmahnungen zu schützen. Betroffenen Unternehmen rät er: „Auf keinen Fall sollte aus dem Gefühl, etwas nicht richtig verstanden zu haben, einfach gezahlt werden.“ Vielmehr sollte man das Schreiben von einem Juristen prüfen lassen.

Auch Verbraucherschutzverbände können aktiv werden. Bundesweit gibt es derzeit 78 Organisationen, die bei Rechtsverstößen abmahnberechtigt sind. Dazu zählen neben dem ADAC auch Verbraucherschutzverbände, Mieterbünde sowie die Deutsche Umwelthilfe (DUH).

Die DUH hat in der Vergangenheit wiederholt Rechtsverstöße von Unternehmen abgemahnt, etwa wenn Autohäuser oder Makler gegen die Pflicht zur Kennzeichnung des Energieverbrauchs verstoßen haben. Die DUH hat allein 2016 mit Abmahnungen 2,46 Millionen Euro eingenommen. In Bezug auf das Datenschutzrecht will die DUH eigenen Angaben zufolge jedoch nicht tätig werden.

Künftig können auch Verbände klagen

Neben diesen bestehenden Möglichkeiten zur Abmahnung schafft das neue Datenschutzrecht auch neue Klagerechte. So wird laut Auskunft des Bundesjustizministeriums ein Verbandsklagerecht neu eingeführt. Verbände können künftig Beschwerden einlegen und die Rechte von Betroffenen einklagen. Um von diesem Klagerecht Gebrauch zu machen, müssen sie nicht einmal die Zustimmung des von dem Datenschutzverstoß Betroffenen einholen. Viele Verbraucher sind in der Vergangenheit Opfer von unseriösen Abmahnungen im Bereich des Urheberrechts geworden, etwa wenn sie im Internet Dateien mit Musik oder Filmen mithilfe spezieller Computerprogramme und aus Online-Tauschbörsen bezogen haben.

Juristisch handelt es sich bei der Abmahnung um ein Instrument des Zivilrechts, mit dem Bürger untereinander Streitfälle ausfechten können und das dazu beitragen soll, die Gerichte zu entlasten. Wenn sich ein Betroffener bei einem Rechtsverstoß und einer rechtlich formalen Abmahnung weigert, das Verhalten abzustellen und eine Unterlassungserklärung abzugeben, kann die Gegenseite auf Unterlassung klagen.