Bei einer Tagung der Landesregierung in Stuttgart zur Sicherheit im Netz wird auch Kritik am Verbraucherschutz laut. Dieser habe sich lächerlich gemacht, so ein Vertreter des Chaos Computer Club, und meide „wirkliche Themen“ wie die Praktiken des US-Geheimdienstes NSA.

Stuttgart - Alexander Bonde (Grüne) hatte zum Thema „Sicherheit im Internet“ eingeladen, und 460 Tagungsgäste stürmten am Donnerstag den Verbrauchertag Baden-Württemberg 2015, um Fachvorträge zu hören, ein „Life-Hacking“ zu erleben und mit Experten über ihre Fragen zu diskutieren.

 

Natürlich weiß der Verbraucherminister des Landes, dass er beschränkte Handlungsmöglichkeiten hat, wo es um Sicherheitsärgernisse und -skandale des Internets geht. Deshalb trennte Bonde in seinen Begrüßungsworten zwischen dem, was er an verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen aus Berlin und Brüssel erwartet, und der eigenen Veranstaltung, die „den Blick schärfen“ soll, was Verbraucher „selbst tun können, ihre Sicherheit zu verbessern“. Sein Ministerium trägt mit praktischen Tipps und Hintergrundinformationen bei, über die neu gestalteten Seiten von verbraucherportal-bw.de, die Serviceseiten des Ministers unter bondesrat.de, und direkt auf Facebook, wo die Menschen erreicht werden, die, so Bonde, „andere Kommunikationsmöglichkeiten kaum noch nutzen“ (facebook.com/VerbraucherBW).

Viren und Datenmissbrauch als drängende Probleme

In einer aktuellen Umfrage im Auftrag des Ministeriums zu Problemen der Internetnutzung nannten die Betroffenen zumeist Viren und Schadprogramme sowie das Ausspionieren und den Missbrauch persönlicher Daten. Bonde fordert von Bund und EU gesetzlich zu regeln, dass Hersteller ihre Software mit den „datenschutzfreundlichsten Voreinstellungen“ ausliefern müssen (Privacy by Design). Persönliche Daten sollten in Europa nur mit Einverständnis der Betroffenen weitergegeben werden dürfen, für „datengierige Unternehmen“ solle es „rechtliche Schranken“ geben, und Anbieter externer Speicher (Cloud) müssten zur Verschlüsselung verpflichtet werden. Mit deutlicher Kritik an Berlin merkte Bonde an, einheitliche europäische Standards für den Datenschutz dürften „nicht zur Verwässerung führen, was wir im Moment befürchten“. In Brüssel stehen zur Zeit auch von Seiten der Bundesregierung die deutschen Datenschutzprinzipien der Datensparsamkeit und der Zweckbindung jeder Datenspeicherung zur Disposition.

Cornelia Tausch, die Vorsitzende der Verbraucherzentrale im Land, forderte ebenfalls mehr Unterstützung durch die Bundespolitik. Sie wünscht sich, dass Hersteller zu kurzen und klaren Verbraucherinfos gezwungen werden sollten und Verbraucherverbände Datenschutzverstöße vor Gericht bringen könnten.

Kritik am Verbraucherschutz

Linus Neumann, Sprecher des Chaos Computer Clubs und Berater für IT-Sicherheit, gab sich verwundert, dass er als Redner eingeladen sei, denn er sei eigentlich Verbraucherschutzkritiker. Dem machte sein Beitrag alle Ehre. Verbraucherschutz sei oft „nicht zielführend“. So kämpfe der Datenschutz gegen den „Gefällt mir“ (Like)-Button, der Facebook meldet, welche Internetseite man aufgerufen hat, während zugleich unsichtbar beim Aufruf vieler kommerzieller Seiten reihenweise Werbeportale benachrichtigt werden. „Das hätten wir vor 15 Jahren stoppen können. Der Zug ist abgefahren“, sagte Neumann.

Mit Aktionen gegen Straßenfotos bei Google und für das Löschen unerwünschter Suchtreffer bei Google habe der Verbraucherschutz sich „maximal lächerlich gemacht“ und werde als „konservativ und fortschrittsfeindlich“ wahrgenommen. Auf der anderen Seite stünden „wirkliche Themen“ wie die Praktiken des US-Geheimdienstes NSA. „Was hat der Verbraucherschutz je in dieser Sache für uns getan?“, fragte Neumann spitz. Es sei der Chaos Computer Club, der es versuche und sogar vor Gericht gehe: „Die Hacker gehen auf einmal hin und klagen.“