Zwischen der Türkei und Griechenland bricht neuerlicher Streit um Hoheitsgebiete und Erdgasvorkommen aus. Beide Seiten kündigen Seemanöver an.

Ankara/Athen - Im östlichen Mittelmeer sind Kriegsschiffe der verfeindeten Nachbarn Türkei und Griechenland auf Konfrontationskurs. Beide Seiten wollen Seemanöver mit Schießübungen in umstrittenen Gewässern abhalten. Ein türkisches Forschungsschiff begann am Montag zudem mit einer neuen Suche nach Erdgas unter dem Meeresboden – und zwar in einem Seegebiet, in dem die Türken laut einer kürzlichen Vereinbarung zwischen Griechenland und Ägypten keinerlei Rechte haben. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach einer ähnlichen Eskalation vor wenigen Wochen als Vermittlerin eingegriffen und die Lage vorübergehend beruhigen können. Nun nehmen die Spannungen jedoch wieder zu.

 

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan machte Griechenland schwere Vorwürfe. Griechenland benutze übertriebene Hoheitsansprüche im Mittelmeer, um die Türkei an ihrer eigenen Küste „einzusperren“, sagte Erdogan am Montagabend. Das werde er nicht zulassen. Erdogan forderte Gespräche aller Mittelmeer-Anrainer, um eine Lösung zu finden. Sein Land werde seine eigenen Pläne aber weiterverfolgen.

Die türkische Marine hatte vorige Woche ein Seemanöver angekündigt

Die türkische Marine hatte vorige Woche mit einem so genannten „Navtex“-Hinweis die Schifffahrt in der Gegend zwischen den griechischen Inseln Rhodos und Kastellorizo über ein zweitägiges Seemanöver mit Schießübungen informiert, das am Montag beginnen sollte. Beide Inseln liegen in der Nähe der türkischen Südküste. Griechenland antwortete am Montag mit der Ankündigung eines eigenen Seemanövers südlich von Kreta.

Gleichzeitig erklärten die griechischen Behörden, eine weitere „Navtex“-Mitteilung der türkischen Seite für ungültig. Mit der Warnung hatte die Türkei die Entsendung des Forschungsschiffes „Oruc Reis“ in einen Sektor des östlichen Mittelmeers zwischen der griechischen Insel Kreta und Zypern bekannt gegeben. Die Türkei habe kein Recht, solche Hinweise zu verschicken, weil das Seegebiet zum griechischen Festlandsockel gehöre, erklärte Athen. Die Nachbarstaaten liegen seit Jahrzehnten wegen gegensätzlicher Hoheitsansprüche in der Ägäis und im Mittelmeer über Kreuz. Die Türkei erkennt die griechische Definition von Hoheitsgebieten nicht an. Ende der 1990er Jahre standen die Nachbarn und NATO-Partner deshalb kurz vor einem Krieg.

Die Türkei streitet sich zudem um die Rechte an reichen Gasvorkommen

Die Türkei streitet sich zudem mit Griechenland, Zypern und Ägypten um die Rechte an reichen Gasvorräten unter dem Meeresboden im östlichen Mittelmeer. Ankara wehrt sich gegen Hoheitsansprüche von Athen, Nikosia und Kairo in der Region und schickt deshalb eigene Forschungsschiffe in jene Gebiete, die von den anderen Akteuren als ihre Einflussgebiete betrachtet werden.

Im Herbst hatte die Türkei außerdem einen Vertrag mit der Regierung in Libyen geschlossen, der große Teile des östlichen Mittelmeeres zu einer türkischen Zone erklärte. Die anderen Länder erkennen den Vertrag nicht an. Vorige Woche schloss Griechenland mit Ägypten einen Vertrag über die Abgrenzung von Wirtschaftszonen im Mittelmeer, der dem türkisch-libyschen Abkommen widerspricht. Ankara will das nicht hinnehmen.

Zweieinhalb Monate lang ist unter deutscher Vermittlung verhandelt worden

Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin sagte dem Sender CNN-Türk, Athen und Ankara hätten zweieinhalb Monate verhandelt und sich unter deutscher Vermittlung auf eine gemeinsame Haltung im Streit um die Hoheitsgebiete im Mittelmeer geeinigt. Einen Tag vor der geplanten Veröffentlichung der Einigung vergangene Woche habe Griechenland dann aber das Seeabkommen mit Ägypten geschlossen, das die vorgesehene Vereinbarung über den Haufen geworfen habe. Deutschland sei davon wahrscheinlich auch enttäuscht. Die Türkei habe nach Bekanntgabe des griechisch-ägyptischen Abkommens die Gespräche abgebrochen.

Nun soll die „Oruc Reis“ in einem Gebiet nach Gas suchen, in dem die Grenzen zwischen den griechischen, zyprischen und ägyptischen Wirtschaftszonen verlaufen. Mit ihrer Entsendung bekräftigte Ankara die türkischen Ansprüche in der Gegend. Der türkische Energieminister Fatih Dönmez schrieb am Montag auf Twitter, die „Oruc Reis“ habe ihr Ziel erreicht. Die ganze Türkei stehe hinter der Mission des Schiffes, schrieb Dönmez. Die „Oruc Reis“ wird bei ihren Missionen gewöhnlich von türkischen Kriegsschiffen begleitet.

In Athen trat der nationale Sicherheitsrat Griechenlands zusammen. Das griechische Außenministerium erklärte, Athen lasse sich von Ankara nicht erpressen und werde seine Souveränität verteidigen. Die Türkei solle ihre „illegalen Aktionen“ im östlichen Mittelmeer einstellen.