Der Dauerstreit in Ludwigsburg um die Stadtbahn und Autofreiheit treibt skurrile Blüten: Eine Grünen-Stadträtin schlägt im Bauausschuss einen Schoko-Nikolaus kurz und klein. Ein Symbol.

Ludwigsburg - Vielleicht ist der zerdätschte Weihnachtsmann ein Symbol für den Zustand der Ludwigsburger Stadtpolitik. Die ehemalige Grünen-Fraktionschefin hat am Nikolaustag in der Debatte über den autofreien Arsenalplatz im Bauausschuss vor Erregung auf die Schoko-Figur eingeschlagen – und diese zerstört. So wütend war sie, weil die Autofreiheit nur schrittweise kommen soll.

 

Die Kommunalpolitiker in Ludwigsburg verharren zur Weihnachtspause hin in einer Art Schockstarre. Die politischen Lager sind festgefahren, die Schützengräben ausgehoben, man bereitet sich schon auf das Superwahljahr 2019 vor. Eigentlich steht die Stadt gut da: 43 000 Arbeitsplätze gibt es inzwischen bei knapp 90 000 Einwohnern, Bosch und Porsche wachsen an ihren Standorten, die Stadt investiert in Schulen und Kitas und bekommt viel Geld aus Berlin für ein Pilotprojekt für digitalisierte Parkplatzsuche in der Weststadt.

Es gibt nur noch ein Thema: Stadtbahn und Schnellbusse

Doch in der Haushaltsdebatte, bei der es eigentlich um die großen Leitlinien der Ludwigsburger Stadtpolitik gehen müsste, dominiert vor allem ein Thema: Die Stadtbahn, die BRT-Schnellbusse und der leidenschaftliche Streit darum, wer wann was gesagt und getan hat. In der letzten Ratssitzung vor den Feiertagen ist der Konflikt noch einmal auf offener Bühne eskaliert. Grüne und SPD kritisierten scharf den Kurs von OB Werner Spec, der nach der groß zelebrierten Einigung im Oktober zur Stadtbahn erneut in einen Kleinkrieg mit Landrat Rainer Haas verwickelt ist. „Unglaublich“, sei das Verhalten des Stadtoberhaupts, schimpfte Michael Vierling, der Sprecher der Gründen-Fraktion. OB Spec sei isoliert und habe sich „in die Gefangenschaft der Freien Wähler“ begeben. Und die SPD-Fraktionschefin Margit Liepins mahnte: „Wir können so nicht weitermachen.“ Beide Fraktionen lehnten deswegen den Ludwigsburger Haushalt für 2019 aus Verärgerung ab.

Dies brachte ihnen nicht nur den Vorwurf von Freie-Wähler-Häuptling Reinhardt Weiss ein, die „beleidigte Leberwurst zu spielen“. Sondern auch eine wütende Gegenrede von Werner Spec. Der OB stellte sich dazu extra ans Rednerpult, erhob seine Stimme und warf einmal mehr dem Landrat vor, den gemeinsam gefundenen Kompromiss zu hintertreiben.

OB Spec schimpft auf Opposition und Presse

Grüne, SPD, die Lokalpresse – alle würden wider besseres Wissen die Fakten falsch darstellen: „Sie alleine tragen die Verantwortung, wenn beim Nahverkehr nichts vorangeht.“ Es folgte ein Streitgespräch mit Margit Liepins, wer wen zu welchem Treffen eingeladen und wieder ausgeladen hat.

Auch die bürgerlichen Fraktionen CDU, Freie Wähler und FDP betrachten dieses nun wiederholt aufgeführte Schauspiel mit sichtbarem Unbehagen. Zwar unterstützt etwa Klaus Herrmann (CDU) den OB darin, dem Landrat konkrete Zugeständnisse für eine Haltestelle der Stadtbahn bei Wüstenrot oder der Planung des Bahnhofs abzuringen. Aber auch er sagt: „Wir müssen eine breite Mehrheit im Gemeinderat finden, wir sind zu Kompromissen bereit.“

Landrat Rainer Haas: Kein Blankoscheck

Auch im Kreistag fand diese Woche eine nichtöffentliche Sitzung eines Kreistagsausschusses statt. Dort intonierte der Landrat Rainer Haas, wie Teilnehmer berichten, die Gegenmelodie zu Werner Spec: Er könne keinen „Blankoscheck“ für die Finanzierung der BRT-Schnellbusse ausstellen. Die Fronten verhärten sich.

Ein Treffen zwischen OB und Landrat vor Weihnachten kam nach gegenseitigen Ein- und Ausladungen nicht zustande. Nun droht direkt nach der Weihnachtspause der nächste Akt im Drama: Am 8. Januar soll der Ludwigsburger Bauausschuss eine Entscheidung fällen, obwohl der Kreistag erst am 25. Januar berät. Beobachter rechnen damit, dass OB Werner Spec auch in diese Ausschusssitzung persönlich kommen und die Wortführerschaft übernehmen wird.

Ein Lichtblick: Einigung beim Aresnalplatz

In dem öffentlichen Getöse geht fast unter, dass in diesen Tagen immerhin ein Zankapfel in Ludwigsburg entzerrt wurde: Der Baubürgermeister Michael Ilk (Freie Wähler) hat es geschafft, einen breiten Kompromiss für den eingangs erwähnten Arsenalplatz zu finden – trotz Weihnachtsmannzerstörung. Indem er einerseits versichert, dass der Arsenalplatz langfristig autofrei werden solle, dieses aber schrittweise eingeführt werde. Damit konnte sich die SPD nach vielen Gesprächen im Hintergrund anfreunden. So haben nur die Grünen gegen die weitere Planung gestimmt. Konsens ist also noch möglich.

Doch in der Schnellbus- und Stadtbahnfrage ist das kaum noch denkbar. Selbst Versöhnungssignale gehen unter. Die SPD-Fraktionschefin Margit Liepins betonte am Donnerstag, sie sei für Schnellbusse und wolle den OB unterstützen, quittierte Spec kühl: „Es ist schön, dass Sie da jetzt auch meiner Meinung sind.“

Selbst wohlmeinende Stimmen im Rathaus sind besorgt ob des Eskalationskurses des Stadtoberhauptes. Auch bei der bürgerlichen Ratsmehrheit wertet man sein emotionales Auftreten als wenig glücklich. Der städtische Haushalt konnte nur mit knapper Mehrheit verabschiedet werden. Der Freie-Wähler-Fraktionschef Reinhardt Weiss formuliert es mit der ihm eigenen knitzen Art: „Ich hoffe, dass wir 2019 entspannter mit zwischenmenschlicher Kompetenz angehen.“