Zwei Beachvolleyballer aus Schweden gehören zu den Topfavoriten auf Olympia-Gold in Paris. Weil David Ahman und Jonathan Hellvig gut sind – und anders.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Wer der uneingeschränkte Star im olympischen Beachvolleyball-Turnier ist? Da gibt es keine zwei Meinungen: Der Star ist der Turm. Schließlich haben die Organisatoren das riesige Stadion direkt vor dem Tour Eiffel platziert. Das gibt eine einmalige Atmosphäre – und tausendfach Bilder. Aber: Es lohnt sich natürlich auch, sich auf das Geschehen auf dem Centre Court zu konzentrieren. Vor allem: wenn David Ahman und Jonathan Hellvig den derzeit berühmtesten Sandkasten der Welt betreten.

 

Am Montagabend, zum Beispiel, war das der Fall. Aus den mächtigen Boxen am Rand des Spielfelds und auf den Tribünen dröhnte nicht nur das übliche musikalische Begleitprogramm des Beachvolleyballs – sondern auch: ein Kulthit aus dem europäischen Norden. „Mamma mia“ von Abba wurde dargeboten. Und das passte nicht nur deshalb ganz gut, weil Ahman und Hellvig wie die frühere Band aus Schweden stammen. Sondern weil sich in den vergangenen Monaten vermutlich zahlreiche ihre Gegner dachten – genau: „Mamma mia.“ Was ist denn das?

Gut, mittlerweile hat sich herumgesprochen, was David Ahman ganz ohne Geheimniskrämerei zugibt: „Wir haben einen anderen Stil zu spielen.“ Nils Ehlers meint also: „Inzwischen kennen wir das ja, es ist nichts Neues mehr.“ Aber der deutsche Beachvolleyballer, der am Dienstag mit seinem Partner Clemens Wickler einen Auftaktsieg in Paris feierte, sagt auch: „Es ist schwer ausrechenbar.“

Der zweite Ball wird zum Angriff genutzt

Die Norm in den Spielzügen ist ja eigentlich folgender: Der Ball der Kontrahenten wird angenommen, dann gestellt, bevor der dritte Kontakt der Angriffsschlag oder ein taktisch klug platzierter Ball ist. Ahman/Hellvig durchbrechen dieses Schema regelmäßig. „Wir gehen auf viele zweite Bälle und Jump Sets“, sagt Ahman und meint damit, dass schon der zweite Kontakt zum Angriff genutzt wird – oder er im Sprung gestellt wird. „Swedish Jump Set“ wird der Stil in der Szene bereits genannt. „Das ist unsere Art, wie wir Beachvolleyball spielen“, ergänzt er, „so brechen wir die klassische Rollenverteilung auf.“ Diese Flexibilität und das Überraschungsmoment seien „sicherlich das Fundament für unsere Erfolge.“ Und davon gibt es mittlerweile sehr viele.

22 Jahre alt sind die beiden jeweils erst – aber ihre Siegerliste liest sich schon wie jene eines routinierten Starduos. Bei den Olympischen Jugendspielen haben sie 2018 Gold gewonnen, schon 2022 waren sie dann Europameister bei den Erwachsenen. Von den fünf Turnieren in diesem Jahr haben sie vier als Sieger beendet, nur einmal waren sie Zweite. Und: Seit April führen sie auch die Weltrangliste an, mittlerweile mit einem riesigen Vorsprung (es zählen immer die Ergebnisse der vergangenen 365 Tage).

Abgelöst haben die Schweden die Norweger Anders Mol und Christian Sorum. Die waren davor sage und schreibe 82 Wochen an der Spitze der Rangliste gestanden. Nun konkurrieren sie in Paris um Olympia-Gold. Mol/Sorum triumphierten vor drei Jahren in Tokio – als Ahman/Hellvig noch gar nicht dabei waren. Nun sagt Jonas Reckermann: „Diese beiden Teams sind den anderen sicher ein bisschen voraus.“ Sie sind die Topfavoriten des Olympiasiegers von 2012 in London.

In Paris kommentiert er die Spiele für das ZDF – und auch er ist angetan von der schwedischen Revolution. Er glaubt sogar, dass der Stil von Ahman und Hellvig zu einem Trend, zumindest aber zu einer wichtigen Alternative in den Repertoires der Topteams werden kann. Er schränkt aber auch ein: „Das kann nicht jeder spielen.“

Die Annahme entscheidet über den Erfolg des Stils

Besonders wichtig seien Schnelligkeit und Ballkontrolle. Als eher kleine Spieler auf der Profitour (Ahman ist 1,90 Meter groß, Hellvig 1,94 Meter) seien die beiden Schweden gemacht für ihren Stil, den sie zudem seit Jahren eingeübt haben. Wie man ihnen beikommt? Das erklärt Nils Ehlers.

„Wir versuchen mit viel Aufschlagdruck dagegen zu arbeiten“, sagt der 2,10 Meter große Berliner. Und bestätigt damit, was Jonas Reckermann betont: „Die Annahme ist für den Stil der Schweden entscheidend.“ Denn nur, wenn schon der Ball schon nach dem ersten Kontakt in der richtigen Höhe in die richtige Richtung fliegt, ist ein schneller Angriffsschlag sinnvoll und möglich. Wenn nicht? „Schadet man sich eher selbst“, meint Jonas Reckermann.

Zu beobachten war das, zumindest in Ansätzen, ebenfalls am Montagabend vor dem Eiffelturm. Eben in der Annahme hatten die Schweden gegen das katarische Duo Cherif/Ahmed Probleme – und nach einem wahren Beachvolleyball-Krimi unterlagen sie nach einer langen Serie an Matches ohne Niederlage tatsächlich 1:2.

Gold haben sie dennoch weiter im Visier, ein weiterer Patzer (am Donnerstag geht es gegen das italienische Duo Samuele Cottafava/Paolo Nicolai) wäre aber verhängnisvoll, das Olympia-Turnier womöglich beendet. So weit soll es nicht kommen. Im Gegenteil: Geplant ist der zweite Turniersieg. Nach Art des „Swedish Jump Set“. Damit die Italiener am Ende verzweifelt sagen: „Mamma mia.“