Seit Kurzem findet sich die 90er-Jahre-Teenieserie „Dawson’s Creek“ bei Netflix. Wenn man als 39-Jährige die Serie guckt, die man mit 17 toll fand, ist sie dann wirklich so gut, wie man sie in Erinnerung hatte?

Freizeit und Unterhaltung: Theresa Schäfer (the)

Stuttgart - „I don’t want to wait for my life to be over...“ – schon das Intro ist die Überholspur in die Vergangenheit. Ich höre den Song von Paula Cole und sitze plötzlich im Wohnzimmer meiner Eltern auf dem Teppich vor dem Röhrenfernseher. Naja, nicht wirklich. Eigentlich habe ich das Tablet auf dem Schoß und liege auf meiner eigenen Couch. Schließlich ist nicht 1999, sondern 2021. Ich bin nicht 17, sondern 39. Und bei meinen Eltern wohne ich auch schon längst nicht mehr.

 

Aber seit Kurzem finden sich alle sechs Staffeln von „Dawson’s Creek“ beim Streamingdienst Netflix. Und was soll man tun, wenn man ab 20 Uhr nicht mehr aus dem Haus darf und der gute Vorsatz, im Lockdown sein eingerostetes Schulspanisch aufzufrischen, nicht viel länger gehalten hat als der Stuttgarter Januarschnee? Also startete ich einen Selbstversuch: Ist eine Serie, die man mit 17 toll fand, noch so gut, wenn man sie mit 39 noch mal schaut?

Achtung, Spoiler: Wer „Dawson’s Creek“ wirklich noch nie gesehen hat und das noch nachholen will, sollte sich das von diesem Artikel nicht verderben lassen und liest besser nicht weiter...

„Dawson’s Creek“ hat bald 25 Jahre auf dem Buckel. Dennoch hat die Sendung bei denen, die damals im besten Teenie-Serien-Alter waren, ihren Nimbus behalten. Das liegt vor allem daran, dass „Dawson’s Creek“ damals so anders war als das, was wir aus dem Genre kannten. Joey (Katie Holmes), Dawson (James Van Der Beek), Pacey (Joshua Jackson) und Jen (Michelle Williams) waren clever. Ihre Frotzeleien waren wirklich witzig, weil vollgepackt mit klugen Anspielungen an die damalige Popkultur. Die Charaktere durften „shit“ sagen – bei Serien aus den USA eine absolute Ausnahme, die nur zwei weiteren Warner-Brothers-Produktionen vorbehalten war.

Team Dawson oder Team Pacey?

Und im Gegensatz zu, Pardon, „Beverly Hills, 90210“ oder „Verbotene Liebe“ hatten die Charaktere Tiefgang: Dawson, der ewige Romantiker, der herausfinden muss, dass das Leben eben kein großes Steven-Spielberg-Epos ist. Pacey, eigentlich gebucht auf die Rolle des Sidekicks, der Dawson dann aber doch die Frau seines Lebens ausspannt. Jen, das „Bad Girl“ aus New York, das das fein austarierte emotionale Gleichgewicht in Capeside aus dem Gleichgewicht bringt. Und schließlich Joey, das Mädchen von der anderen Seite des Bachs, Tochter eines Gefängnisinsassen, die Antithese zu all den Brendas, Kellys und Donnas, die wir aus anderen Serien kannten. Schon damals war man entweder „Team Dawson“ oder „Team Pacey“ – aber es gab kein Twitter, auf dem man sich darüber hätte battlen können.

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Die Schauspieler, teilweise blutjung, als sie für „Dawson’s Creek“ vor der Kamera standen, haben heute fast alle große TV- und Filmkarrieren gemacht – Michelle Williams zum Beispiel war bislang vier Mal für einen Oscar nominiert. Katie Holmes heiratete Tom Cruise – und ließ sich zum Glück auch wieder von ihm scheiden. Von James Van Der Beek ist immerhin eines der großartigsten Memes aller Zeiten geblieben.

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Kevin Williamson, der Macher der Serie, wollte nach seinen Erfolgen im Horrorfilmgenre („Scream“, „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“) eine Coming-of-Age-Geschichte erzählen, die lose auf seiner eigenen Jugend in einem kleinen Städtchen an North Carolinas Küste basiert. Das ist romantisch, sicherlich herrlich old school – wenn Joey zum Beispiel mit ihrem Ruderboot bei Dawsons Steg anlegt, um dann über die Leiter in sein Zimmer zu klettern –, aber nie naiv. Denn bei „Dawson’s Creek“ wurden auch immer wieder Themen behandelt, die man in den 90ern woanders noch nicht sah: Da kämpft die kecke Einserschülerin Andie (Meredith Monroe) mit Depressionen oder ihr Bruder Jack (Kerr Smith) mit seinem Coming-out. „Dawson’s Creek“ darf sich bis heute rühmen, die erste Fernsehserie in den USA gewesen zu sein, die einen Kuss zwischen zwei Männern zeigte.

Klappe jetzt! Zerredet doch nicht alles!

Ihre Stärke ist aber irgendwie zugleich auch die größte Schwäche der Serie: „Dawson’s Creek“ will so kluges Fernsehen sein, dass sie manchmal unfreiwillig ins Komische abdriftet. Welcher 16-Jährige hat schon eine so profunde Einsicht in seine Gefühle? Welcher Teenie spricht, als habe er zum Frühstück eine Gesamtausgabe der „Encyclopædia Britannica“ verspeist? Seltsamerweise hat mich das mit 17 weniger gestört als jetzt mit 39. Jetzt würde ich gerne an den Bildschirm klopfen und Dawson und Joey zurufen: Klappe jetzt! Zerredet doch nicht alles, Menschenskinder! Vor allem, weil die Dialoge dann doch nicht ganz so tiefgründig sind, wie ich das im zarten Jugendalter dachte.

Trotzdem rühren die Sechs aus Capeside mich. Das hat natürlich in erster Linie mit 90er-Nostalgie zu tun. Die Spaghetti-Tops zu den Baggy Jeans, die Musik (Alanis Morrissette! Savage Garden!), die Haarschnitte – das war meine Zeit! Ob die Serie heutigen Jugendlichen noch was zu sagen hat? Keine Ahnung! Schließlich bin ich 39 und keine 17 mehr.