Die Day & Night hat sich im nationalen Festival-Business zwar gut positioniert, trotzdem ist es fast ein Wunder, dass Ricardo Villalobos gegen 19 Uhr auf der Freiluftbühne auftaucht. Denn der kürzlich 43 gewordene Berliner macht seit Jahren vor allem eines: sich rar. Und vor allem auf deutschem Boden. Der Produzent und DJ nimmt wenige Termine an und die sollten am besten noch unter freiem Himmel stattfinden. Das ist sein Territorium. An das letzte Stuttgart-Date (März 2007 im ehemaligen M1, heute Club Lehmann) erinnern sich wahrscheinlich nur noch die Menschen, die zwischenzeitlich in der (partiellen) Nightlife-Rente sind und zwischenzeitlich Mann oder Frau und zwei Kinder daheim haben. Genau wie Villalobos, ebenfalls ein starkes Gegenargument für den inflationären Besuch einer DJ-Kanzel, wie ihn viele seiner Kollegen praktizieren und um die 150 Mal im Jahr auftreten.

Durch diese Gig-Politik kombiniert mit einigen hochgelobten wie sehr eigenen Veröffentlichungen und mitunter skurrilen Youtube-Videos und Internetbildern von seinen Auftritten, rankt sich in den letzten zehn Jahren ein regelrechter Mythos um den dauerbärtigen Künstler. Hinzu kommt eine spannende Vergangenheit: In Santiago de Chile geboren, kam Ricardo als Kleinkind nach Deutschland, weil seine Eltern infolge des Militärputsches Chile verlassen mussten.

Diese Tatsache und der frühe Einfluss seines musikalischen Vaters, der ihn mit Salsa, Rock und elektronischer Musik in Berührung brachte, ist die manifestierte Erklärung für seinen „südamerikanischen-perkussiven“ infizierten Techno-House-Sound. Villalbos baut in stundenlangen Studiosessions hypnotisierende, rhythmusgetriebene Endlosschleife, die er nur minimal moduliert. Hamster-im-Laufrad-Musik oder auch Treibsound, bei dem man Raum und Zeit vergisst.


Für den Ruhm hat er lange gekämpft und besser gesagt der Zeitgeist war irgendwann auf seiner Seite: Seit Ende der 1980er an den Decks und als Geheimtipp in den 1990ern gehandelt, den damals längst nicht alle verstanden haben, kam im Jahr 2003 der endgültige Durchbruch. Mit „Alcachofa“ (zu Deutsch Artischocke) veröffentlichte er eines der wichtigsten Minimal-Alben der jüngeren Zeit und hängte kurz darauf die Mix-Compilation „Taka Taka“ dran, der Titel ist längst ein geflügelter Begriff in der Szene für eine feiste Techno-Party.

Heutzutage gilt Ricardo Villalobos auf dem globalen Dance-Markt neben Loco Dice, Dixon und dem unverwüstlichen Sven Väth als einer der bekanntesten deutschen Techno-Exporte. Resident Advisor, die international wichtigste Online-Plattform der Dance-Szene, führte ihn in der „Top DJs 2012“-Liste auf Platz 8 – das ist ein Wort und hält den hohen Markwert. Begründung: „Packing festival stages and Ibiza terraces, Villalobos is as massive a draw as ever“, also ein Magnet wie eh und je. Zwar keine Ibiza-Terrasse dieser Glaspalast, aber da kann am Samstag in Sindelfingen nichts mehr schief gehen.