Die Bahn muss 23 Millionen Euro an den Regionalverband überweisen, weil die neuen Züge der Baureihe 430 nicht rechtzeitig einsatzbereit sind. Bei Problemen in Zusammenhang mit Stuttgart 21 gibt es keine Entschädigung für den Regionalverband.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Selbst der Regionalrat Felix Tausch, der der CDU angehört und damit einer Stuttgart 21 wohlgesinnten Partei, ist am Mittwoch im Verkehrsausschuss verwundert gewesen: „Da wurde aber schlecht verhandelt“, lautete sein knappes Resümee. In der Sitzung ist nämlich bekannt geworden, dass der Verband Region Stuttgart (VRS) als Träger der S-Bahn keine entsprechende Entschädigung erhält, wenn wegen des Baus des Tiefbahnhofes S-Bahn-Züge verspätet ankommen oder ganz ausfallen. In einer Sonderregelung haben die DB Regio und der VRS vereinbart, dass während der gesamten Bauzeit von Stuttgart 21 so getan wird, als seien die Züge genau so pünktlich wie in den Jahren 2007 bis 2009.

 

In der Vorlage zum Tagesordnungspunkt „S-Bahn-Qualität“ heißt es explizit: Die Vertragspartner seien beim Abschluss davon ausgegangen, „dass sich die Pünktlichkeit insbesondere aufgrund von Stuttgart 21 verschlechtern würde“ und man deshalb die genannte Sonderregelung getroffen habe. Auch Bernhard Maier von den Freien Wählern sagte in Bezug auf die gesamte Situation im S-Bahn-Verkehr deshalb, dass die derzeitigen Verträge unbefriedigend seien: „Sie wurden noch zu einer Zeit abgeschlossen, als es diese Probleme noch nicht gab.“ Mark Breitenbücher von den Grünen, die mit einem Antrag das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hatten, ärgerte sich. Man könne so keinerlei Druck auf die Bahn aufbauen.

Regionalverband hält Regelung für gerechtfertigt

Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler rechtfertigte die Vereinbarung. Dem S-Bahn-Vertrag sei ein Verfahren mit mehreren Bewerbern vorausgegangen, also auch mit Unternehmen, die keinen Bezug zur Deutschen Bahn hatten. Man hätte diesen Verkehrsbetrieben nicht zumuten können, die Verantwortung für Probleme wegen Stuttgart 21 zu übernehmen. Dies gelte nun auch für die DB Regio; es spiele keine Rolle, dass sie ein reines Tochterunternehmen der Deutschen Bahn sei. Im vergangenen Jahr erhielt der VRS 150 000 Euro an Entschädigung – wie viel es unter realen Bedingungen gewesen wären, ist nicht bekannt.

Daneben bekommt der Regionalverband gut eine Million Euro von der DB Regio zurück, weil im vergangenen Jahr 1,5 Prozent der bestellten Züge ausgefallen sind oder stark verspätet waren. Bei der Pünktlichkeit ist das S-Bahn-Netz Stuttgart ins bundesdeutsche Mittelfeld zurückgefallen: Fast 14 Prozent der Züge waren mehr als drei Minuten verspätet gewesen. Die S-Bahn-Misere war immer wieder Thema gewesen im Verkehrsausschuss. Wolfgang Stehmer von der SPD forderte jetzt sogar einen zweiten S-Bahn-Gipfel, weil immer noch nicht ganz klar sei, welche Maßnahmen die DB Regio ergreifen werde, um die Probleme zu lösen. Auch Breitenbücher sagte: „Es ist wenig passiert seither.“

Anreizsystem zur Beseitigung von Mängeln funktioniert nicht

Zu dieser Misere gehört auch, dass die neuen Züge der Baureihe 430 nicht wie geplant eingeführt werden können, weil es erhebliche Probleme zum Beispiel mit den ausfahrbaren Tritten gibt. Auch hierfür muss die DB Regio eine Strafe bezahlen, die sich auf stolze 23,18 Millionen Euro beläuft – das entspricht fünf Prozent der Gesamtinvestition für die 83 neuen Züge.

Kritisiert wurde im Verkehrsausschuss daneben das nicht funktionierende Anreizsystem für die DB Netz, die für die Bahninfrastruktur verantwortlich ist. Faktisch sei es so, dass es für die DB Netz billiger sei, die Strafzahlungen zu tragen als die monierte Infrastruktur zu verbessern. Der VRS-Verkehrsexperte Frank Zerban wies allerdings darauf hin, dass dieses Anreizsystem nicht verhandelbar gewesen sei, sondern Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bahn: „Das kann nur die Bundesnetzagentur ändern“, so Zerban.