Die Deutsche Bahn schreibt rote Zahlen und will die Nachtzüge abschaffen. Stattdessen sollen die Österreicher Vorreiter für Nachtzüge in Europa werden. Ein Fahrplan, mit dem die Deutsche Bahn nicht in Richtung Zukunft fährt.

Stuttgart - Einsteigen, einschlafen und am nächsten Morgen ankommen. Mit dieser Art des Reisens im Nachtzug soll ab Dezember 2016 Schluss sein. Denn zum Fahrplanwechsel streicht die Deutsche Bahn alle Nachtzugverbindungen in Deutschland. Aus Kostengründen, wie die Bahn schreibt. „Das Nachtzuggeschäft ist ein Nischengeschäft. Im Jahr 2015 wurde bei einem Ertrag von rund 90 Millionen Euro insgesamt ein Verlust von circa 31 Millionen Euro erwirtschaftet“, erklärt eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Mit der Abschaffung reagiere man nur auf die „Kundenbedürfnisse und wirtschaftlichen Anforderungen.“

 

Rote Zahlen, uralte Waggons und hohe Preise. Der Ton klingt fatalistisch und auf dem Papier scheint der Nachtzug schon lange tot zu sein. Trotz 1,3 Millionen Reisender im Jahr. Doch der Nachtzug ist nicht nur etwas für hoffnungslose Eisenbahnromantiker. Am Dienstag wurde in Berlin eine Petition für den Erhalt der Nachtzüge mit 28.882 Unterschriften übergeben. Martin Burkert, der Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr des Deutschen Bundestages, nahm die Petition entgegen. Die Nachtzugbefürworter stellten zudem ein europaweites Konzept für den Nachtzugverkehr vor. Das Netz „LunaLiner“ der Aktivisten sieht vor, den Nachtzugverkehr nicht ab- sondern aufzubauen. Von Amsterdam bis Warschau, von Rom nach Zürich und von Dortmund nach Mailand sind dabei nur Beispiele.

Im Nacht-ICE geht es sitzend durch Europa

Die Deutsche Bahn will davon nichts wissen und bleibt bei ihrem Entschluss. Statt der Schlaf- und Liegewagen sollen Reisende mit Nacht-ICEs fahren. Liegesitze wird es darin allerdings nicht geben. Ein Konzept sei aktuell noch in der Planung, erklärte eine DB-Sprecherin. Ob in den Nacht-ICEs Licht brennt, wie oft sie halten und auf welchen Strecken sie fahren, ist also noch unklar. Auf grenzüberschreitenden Verbindungen sollen die Fahrgäste auf IC-Busse umsteigen.

Die Hoffnung seitens der Deutschen Bahn liegt aber vor allem auf der österreichischen Bundesbahn (ÖBB), die künftig mehrere Nachtzugstrecken in Deutschland fahren soll. Dabei zählte die ÖBB 2015 rund eine Millionen Fahrgäste in ihren Nachtzügen, noch weniger als die Deutsche Bahn. Die Verhandlungen der beiden Eisenbahnunternehmen dauern an und die ÖBB hat großes Interesse am Ausbau ihres Nachtzuggeschäfts.

Für die Österreicher haben Nachtzüge eine Zukunft

Die Österreicher wollen ihr Angebot an Nachtzügen für die neuen Strecken kräftig ausbauen: 60 gebrauchte Schlaf- und Liegewagen will die ÖBB kaufen, 20 Intercity-Wagen sollen zu Liegewagen umgebaut werden. Und neue Strecken kommen dazu. Das hat der Aufsichtsrat der ÖBB im Mai beschlossen. Besteht Österreich also nur aus Nostalgikern, die vornehmlich nachts reisen?

„Wir setzen bewusst auf die Nische Nachtzug als komfortable und umweltfreundliche Alternative zum Auto und zum Flugzeug, um längere Strecken bequem über Nacht zurückzulegen“, erklärt eine ÖBB-Sprecherin. Zudem machen die Nachtzüge 17 Prozent des Umsatzes der ÖBB aus. Warum läuft es bei der ÖBB besser als bei den Deutschen Eisenbahnern? Ein Grund könnte die alte Flotte der Deutschen Bahn sein. Teilweise seien die Waggons über 40 Jahre alt und „sanierungsbedürftig“. Die Kosten für die Erneuerung könne das Geschäft der Nachtzüge allerdings nicht erwirtschaften, heißt es von Seiten der Bahn.

Verschließbare Kabinen, eigene Fenster und viel Stauraum

In Österreich wird dagegen bereits an einer neuen Ausstattung der Liegewagen gearbeitet. Statt stickiger Mehrpersonenabteile soll jeder Fahrgast eine eigene Liegekabine bekommen, die sich mit einem Rollladen in Gangrichtung verschließen lässt. Wer schlafen will, hat es dunkel und wer noch lesen möchte, kann das Licht angeschaltet lassen. Auch auf den Fensterblick muss man nicht verzichten, jede Kabine hat ihr eigenes Fenster, ebenfalls mit verschiebbarem Rollladen.

Laut ÖBB legen die Kunden besonderen Wert auf Privatsphäre, verschließbare Abteile und Gepäckaufbewahrung. Das neue Design könnte das leisten. Und es wurde ausgerechnet von der Deutschen Bahn in Auftrag gegeben. Ob die ÖBB das Konzept umsetzen, wird vermutlich zum Jahresende entschieden. Dann fahren in Deutschland die letzten Nachtzüge auf das Abstellgleis und es scheint, als könne die ÖBB diese Lücke gut füllen.