Das Studio H&S lieferte der DDR Bilder vom fiesen Westen. Manche davon wirken heute ziemlich skurril. Andere widmen sich Krisenherden , von denen ehrliche westliche Selbstkritik zugeben muss, dass die eigenen Ideale dort verraten wurden.

Stuttgart - Als politische Analyse war das nicht sehr feinsinnig, als Arbeitsgrundlage aber wunderbar: die Bundesrepublik Deutschland, sagten sich die DDR-Dokumentarfilmer Walter Heynowski und Gerhard Scheumann, war nichts anderes als die Fortsetzung des Nationalsozialismus mit einer anderen Fahne, etwas feineren Manieren und einer zugunsten der Profitgier halbwegs ins Zaum gehaltenen Mordlust. In der BRD trieben alte Nazis ihre Politik voran, Politik, Militär und Wirtschaft waren Teil einer weltweiten Verschwörung gegen Frieden, Fortschritt und Gerechtigkeit.

 

Mit diesem knochenharten Bild des Klassenfeinds wurden Heynowski und Scheumann ab 1964 zu Kraftnahrungslieferanten eines bestimmten Selbstverständnisses des Mauerstaats. Was immer die DDR an Schwächen haben mochte, dachten jene Genossen, die sich an den Filmen von Heynowski und Scheumann labten, sie war wenigstens kein solcher Horrorstaat wie die BRD.

Nach der Wende blieb von der alten Herrlichkeit nicht viel übrig. Kaum jemand wollte sich an diese Filme erinnern, schon gar keine neuen in Auftrag geben. Noch vor dem Tod von Gerhard Scheumann 1998 waren die beiden vergessen.

Eine DVD-Box zeigt die wichtigsten Arbeiten

Mit diesem Verdrängen ist jetzt aber Schluss. Das Berliner DVD-Label Absolut Medien legt eine Box mit wichtigen Arbeiten des Studios H&S vor, wie die beiden sich nicht nur als Türschildzier nennen durften. Eine Zeit lang waren sie die einzigen Filmemacher der DDR, die außerhalb der Defa-Strukturen halbwegs selbstverwaltet arbeiten durften.

Neben der Box ist separat noch die Dokumentation „Piloten im Pyjama“ aus dem Jahr 1968 erschienen, die von abgeschossenen und gefangen genommenen Kampffliegern der US Air Force in Vietnam erzählt. Dieses Werk macht rasch verständlich, was der naheliegende Sinn einer Neusichtung der Filme von H&S sein könnte. Die Kamera führt uns über geografische und ideologische Grenzen, sie zeigt uns Brennpunkte der Weltgeschichte, die wir aus westlichen filmischen und journalistischen Aufarbeitungen kennen, sozusagen von hinten.

Gewiss, manch polemische Montage, knallige Vereinfachung, maliziöse Wundenreiberei stößt uns sofort als Propaganda auf. Aber dieser richtigen Erkenntnis schließt sich das Grübeln an, wie viele der westlichen Bilder, Montagen und Deutungen, die wir längst verinnerlicht haben, sich bei einer Neusichtung wohl als nicht viel objektiver erweisen würden.

Gedrückt, wo es weh tat

Heynowski und Scheumann haben dort gedrückt, wo es weh tat. Sie haben sich Krisenherden gewidmet, von denen ehrliche westliche Selbstkritik zugeben musste, dass die eigenen Ideale dort verraten wurden. H&S widmete sich den Kriegen im Kongo und in Vietnam und dem Putsch in Chile. Nur waren Heynowski und Scheumann überzeugt, dass die wahren Werte des Westens dort nicht verraten, sondern offenbar wurden. Aber was sie in „Remington Cal. 12“, in dem Film „Der Krieg der Mumien“ oder eben „Piloten im Pyjama“ aufzeigen, das sind eben Scheußlichkeiten, die man im Westen allzu schnell geleugnet oder zu bedauerlichen Betriebsunfällen erklärt hatte. Schließlich befand man sich im großen Weltkonflikt Freiheit gegen Gulag.

Die clevere Montage war nur ein Werkzeug des Studios H&S. Das andere war die Tarnung. Man trat als Filmteam aus dem Westen an Zeitzeugen heran und brachte sie zum Reden. Im „Lachenden Mann“ (1965) sitzt ein damals als Kongo-Müller medienbekannter Söldner vor der Kamera und erzählt von seinem Treiben in Afrika. In „Geisterstunde“ (1967) faselt die Wahrsagerin Buchela ihren Unfug, den Bonner Politiker angeblich in ihre Entscheidungen einbezogen. Das sind peinliche Erinnerungen, denen die Republik sich stellen sollte.

Heynowski und Scheumann blieben stets Linke, aber von der Obszönität realer kommunistsicher Experimente nicht unberührt. In ihrem Film „Die Angkar“ (1981) werden Brüche im Weltbild spürbar. Aber anschauen sollte man sich die Filme nicht, um späte Zweifel zu finden, sondern um der Moskitobiestigkeit willen, mit der sie bundesdeutsche Selbstzufriedenheit umsurrten: mancher Stich darf ruhig wieder zu jucken beginnen.