Bundesinnenminister Thomas de Maizière holt nach dem Berliner Anschlag zum großen Schlag aus und fordert eine neue Sicherheitsarchitektur. Manches erscheint noch utopisch – dennoch verdient der Vorstoß eine sachliche Debatte, meint Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Jeder, der es sehen will, kann es sehen: Der Föderalismus in Deutschland ist an vielen Stellen ein Hemmschuh, wenn es darum geht, den Staat für neue Herausforderungen zu wappnen. Dennoch halten speziell die großen Parteien an der Kleinstaaterei mit vielen unterschiedlichen Gesetzen und Regelungen, mit konträren Strategien und Ausstattungen fest. Ein Grund: In den Länderkompetenzen sehen sie auch ihre Machtpfründe.

 

Augenfällig geworden sind dadurch hervorgerufene Mängel vor allem im Zuge der terroristischen Bedrohung. Gefährder schlüpfen durch das staatliche Netz, weil die Polizeien des Bundes und der Länder nicht zu einem einheitlichen und gut abgestimmten Vorgehen in der Lage sind. Wenn es innerhalb Deutschlands schon nicht funktioniert, darf sich niemand über die großen Lücken im europäischen Sicherheitssystem beschweren.

Manches erscheint utopisch

Insofern macht Bundesinnenminister Thomas de Maizière einen interessanten Vorschlag, wenn er eine neue Sicherheitsarchitektur fordert, die deutlich mehr Kompetenzen auf den Bund verlagert. Der CDU-Politiker nutzt die Gunst der Stunde, um seinen Einflussbereich zu stärken. Speziell nach dem Anschlag in Berlin hat sich wieder einmal gezeigt, dass die Sicherheitsbehörden fernab der Öffentlichkeit zwar schon effektiv arbeiten, aber eben noch nicht wirkungsvoll genug, um solche Terrorakte zu verhindern.

Etliche Detailvorschläge de Maizières sind so bedenkenswert wie utopisch: Eine Abschaffung der Landesämter für Verfassungsschutz zu Gunsten einer Bundesverwaltung zum Beispiel dürfte nicht allgemein akzeptiert werden, auch wenn manches dafür spricht. Auch wenn der Bund eine „Steuerungskompetenz über alle Sicherheitsbehörden“ bei Bund-Länder-übergreifenden Angelegenheiten erhielte, wäre dies ein schwerer gesetzlicher Eingriff. Damit dürfte er auch bei Ländervertretern der Union anecken. Der Ausbau der Bundespolizei und die Stärkung des Bundeskriminalamts (BKA) hätten schon eher eine Chance auf Realisierung.

Futter für den rechten Flügel der Union

Wirksamere Fahndungsmaßnahmen oder eine koordinierte Cyber-Abwehr – für sich genommen wären es logische Konsequenzen. Die Vorschläge des Innenministers verdienen eine sachliche Debatte, auch wenn wenn sie nun mitten in den Bundestagswahlkampf geraten und letztlich auch in Richtung Wahlen zielen. Denn auffällig hat er auch die Flüchtlinge und Asylbewerber ins Visier genommen, die über Bundesausreisezentren schneller abgeschoben werden sollen. Deutschland schottet sich ab, lautet eine Botschaft dieses Vorstoß. Das wird dem rechten Flügel der Union sowie der CSU besonders gefallen und soll der AfD das Wasser abgraben.

An der Stelle unterscheidet sich der Plan de Maizières besonders deutlich vom Konzeptpapier des SPD-Chefs Sigmar Gabriel, von dem eher zufällig am gleichen Tag erste Details bekannt geworden sind. Sigmar Gabriel setzt nicht nur auf schärfere Gesetze, sondern auf Maßnahmen, die den Zusammenhalt der Gesellschaft fördern – auf lebendige Städte, Kulturförderung, soziale Sicherheit. Auch diese sind für sich genommen verständliche Punkte. Doch lenken sie von der Notwendigkeit ab, die Schlagkraft der Sicherheitsbehörden zu erhöhen – ein Preis, den wir für unsere Freiheit offenbar zahlen müssen.