Die vier Atomkonzerne RWE, Vattenfall, Eon und EnBW zahlen einen hohen Milliardenbetrag in einen Staatsfonds. Von der Last der Atommüllentsorgung werden sie damit befreit. Das übernimmt der Staat.

Stuttgart - Acht Atomkraftwerke in Deutschland sind noch im Betrieb, doch 2022 wird das letzte abgeschaltet. Wer kommt dann für den Rückbau der Atommeiler und die Entsorgung des strahlenden Müll auf? Die Regierung hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf verabschiedet, der eine Arbeitsteilung mit den Atomkonzernen vorsieht – ein Überblick.

 
Wer finanziert welche Aufgabe?
Ausgehend von den Vorschlägen einer Regierungskommission unter Leitung von Jürgen Trittin (Grüne), Ole von Beust (CDU) und Matthias Platzeck (SPD) ist eine Arbeitsteilung von Staat und Unternehmen vorgesehen: Die Energiekonzerne Vattenfall, Eon, RWE und EnBW sollen die Stilllegung und den Abriss der Atomkraftwerke managen und bezahlen sowie die Verpackung des Atommülls finanzieren. Gemeint ist die endlagerfähige Verpackung, aber wie die Verpackung „für die Ewigkeit“ aussehen muss, kann eigentlich erst nach der Auswahl eines Endlagers entschieden werden. Wird es in Ton-, Granit- oder Salzstollen errichtet – danach richtet sich die endgültige Verpackung. Der Staat übernimmt die Kosten und Regie von Zwischen- und Endlagerung des Atommülls.
Warum dürfen sich Konzerne freikaufen?
Die Lagerung des atomaren Mülls ist eine Jahrhundertaufgabe, bis ein Endlager gefunden, gebaut und im Betrieb ist, könnte es bis 2090 dauern. Deshalb soll die Mülllagerung in staatlicher Regie geschehen. Das Risiko, dass die Konzerne in der langen Zeit Pleite gehen und nicht für ihre Altlasten gerade stehen können, wäre zu hoch. Bei einer Pleite müsste der Steuerzahler alle Kosten tragen. Auch will die Regierung ein Überleben der Konzerne sichern, sie braucht ihr Wissen für den Atomausstieg.
Was zahlen die Energieversorger?
Die vier Konzerne haben Rückstellungen für den Akw-Abriss und die Müllentsorgung in Höhe von 41 Milliarden Euro gebildet. Laut Gesetzentwurf sollen von den Rückstellungen gut die Hälfte an einen staatlichen „Entsorgungsfonds“ überwiesen werden: Zum Januar 2017 bereits ein Grundbetrag von 17,4 Milliarden Euro, hinzu kommt später bis Ende 2022 ein Risikoaufschlag von 6,17 Milliarden Euro. Summa sumarum hätten sich die Betriebe also für 23,6 Milliarden Euro von der drückenden Last der Atommüllentsorgung frei gekauft. Für den Risikoaufschlag ist eine Ratenzahlung möglich bis 2026, verzinst mit 4,58 Prozent jährlich. Damit nimmt die Regierung Rücksicht auf finanzschwächere Atomkonzernen wie RWE.
Ist das Verursacherprinzip durchlöchert?
Das Kommissionsmitglied Trittin sagt Nein. Das Verursacherprinzip sei besser gesichert als je zuvor. Die Konzerne hätten jetzt 20 Milliarden Euro an Rückstellungen für ihre eigenen Aufgaben, also Stilllegung und Rückbau, aber die Kosten für diese Vorhaben würden bis 2040 auf 60 Milliarden steigen. Durch eine Nachhaftungsregelung sei im übrigen sichergestellt, dass die Konzerne sich später „nicht aus der Verantwortung stehlen“. Dass der Staat für die langfristige Lagerung des gefährlichsten Atommülls der Welt sorge, das sei richtig.
Warum sind Umweltverbände empört, die Konzerne aber zufrieden?
Umweltverbände wie dem BUND gehen die Zugeständnisse an die Konzerne zu weit, auch sei es ein Unding, dass Vattenfall an einer Milliardenklage gegen den Staat festhalte. Die Anti-Atom-Gruppe „Ausgestrahlt“ sagt, die Rückstellungen reichten beileibe nicht, es gebe Szenarien, wonach die Gesamtkosten bis 2099 auf 169 Milliarden anstiegen. Von den Konzernen kamen eher zufriedene Äußerungen. Eon pochte auf einem raschen Vertrag. Die EnBW teilte mit: „Dauerhafte Rechtssicherheit ist angesichts der Tragweite der angestrebten Neuordnung für uns zwingend.“