Außenminister Heiko Maas spricht sich gegen die Austragung der Eishockey-WM in Belarus aus – der DEB verhält sich bislang diplomatisch. Der Weltverband IIHF entscheidet bis spätestens 26. Januar.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Bei Fotos mit Politikern sollten Protagonisten aus der Welt des Sports höllisch aufpassen. Mesut Özil hat eine Aufnahme mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vor anderthalb Jahren die Karriere in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gekostet, weil der Staatschef nicht als Freund der Menschenrechte bekannt ist. Nun hat sich René Fasel in die Nesseln gesetzt. Der Präsident des Eishockey-Weltverbandes (IIHF) hatte den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor Kameras innig umarmt, der als letzter Diktator Europas gilt. „Es ist etwas blöd gelaufen, das ist mir auch peinlich“, räumte Fasel später im Schweizer Fernsehen ein, „es tut mir leid, wenn das zur Interpretation führt, ich würde die Vorgänge und die Repression in Belarus akzeptieren.“

 

Das könnte man aber, man muss nicht einmal böswilligen Geistes sein. Als Vorsteher des Weltverbandes hätte der 70-Jährige das Fingerspitzengefühl gebraucht, das Eishockey-Profis am Schläger benötigen. Da ist es politisch sehr unglücklich, wenn ein Sportspitzenfunktionär einen Mann umarmt, der seit Monaten für sein rücksichtloses Vorgehen gegen die Opposition und zahlreiche Verhaftungen verantwortlich ist – auch wenn Fasel beteuerte, er habe ausschließlich Gutes tun wollen. Gut gemeint ist eben nicht zwangsläufig gut gemacht. Die Eishockey-Obrigkeit steckt im Dilemma, seit die Welt in Belarus bebt, eigentlich soll vom 21. Mai bis zum 6. Juni im Land (sowie in Lettland) die Weltmeisterschaft ausgetragen werden. Seit geraumer Zeit aber gibt es erhebliche internationale Kritik an der Ausrichtung in Minsk, EU-Mitglied Lettland lehnt eine WM mit Belarus ab. Dänemark und die Slowakei haben bereits angeboten einzuspringen.

Fasel zögert die Entscheidung hinaus

Fasel ist noch nicht bereit für den Schnitt. „Stellen Sie sich vor, wir sagen die WM jetzt ab: Wird das etwas an der Situation im Land ändern? Sicher nicht“, betonte er, „wir haben einen Vertrag mit dem Verband. Unsere Pflicht ist es, die WM durchzuführen. Es gäbe Folgen, wenn man diese nicht abhält.“ Am 25. und 26. Januar will das Exekutiv-Komitee der IIHF endgültig über die Ausrichtung entscheiden – dann befindet sich auch der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) mit am Tisch der Funktionäre.

Doch Franz Reindl sitzt dabei irgendwie zwischen den Stühlen. Der DEB-Chef macht keinen Hehl daraus, dass sein Verband und er „total verurteilen, was in Belarus passiert. Wir alle und ich persönlich haben dazu eine sehr, sehr kritische und intern klare Haltung.“ Allerdings dürfte das als Grund für ein Fernbleiben der deutschen Mannschaft nicht genügen, denn ein einseitiger Boykott hätte sportlich wie wirtschaftlich „erhebliche Nachteile für das deutsche Eishockey zur Folge“, wie Reindl bemerkt. Der DEB steckt in der Zwickmühle. Ein Eingreifen der Politik könnte die deutsche Eishockey-Gilde aus ihrer misslichen Lage befreien – nun hat Außenminister Heiko Maas die erste Leuchtrakete abgefeuert.

Außenminister Maas greift Weltverband an

Der SPD-Politiker hat in einem Interview befürwortet, wegen der massiven Repressionen gegen die Demokratiebewegung, Belarus die WM zu entziehen. „Das Turnier wäre das größte PR-Geschenk für Lukaschenko und ein verheerendes Signal an die Demonstrierenden“, sagte der 54-Jährige in Richtung des IIHF. Die Grünen im Bundestag feuerten verbal gegen Fasel und warfen ihm eine Verhöhnung der Demokratiebewegung vor. „Wer riskiert, dass eine WM zu weiteren Unterdrückungen, Verhaftungen und Folterungen führt, macht sich mitschuldig“, erklärte die sportpolitische Sprecherin Monika Lazar.

Selbst wenn Franz Reindl ebenso denkt, er agiert vorsichtig wie ein Diplomat im Dienst, denn er möchte im Herbst den scheidenden Fasel als IIHF-Chef beerben, da will er nicht unnötig Porzellan zerschlagen. Es werde von der IIHF versucht, über den Eishockeysport etwas zu bewirken, sagte der 66-Jährige, „ob das gelingt, ist aber mehr als fraglich, und dann entstehen Situationen, da kann man nicht mehr zustimmen, da wird es Lösungen geben müssen.“ Vielleicht setzt sich Reindl bei der IIHF-Beratung doch nicht zwischen die Stühle, es wäre für einen Präsidentschaftskandidaten eine günstige Gelegenheit, Führungsstärke zu demonstrieren.