Der Landkreis Göppingen wird immer mehr als Aufmarschgebiet von Neonazis wahrgenommen. Die Kreispolitik will sich dagegen nun zur Wehr setzen.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Die geballte Ladung und die zunehmende zeitliche Dichte der Vorkommnisse hat zunächst einen Moment des schweigenden Entsetzens hervorgerufen, ehe die ersten Wortmeldungen erfolgt sind. Thomas Schmolz, bis vor Kurzem noch in der Abteilung Staatsschutz der Göppinger Polizeidirektion tätig, hat vor dem Verwaltungsausschuss des Kreistags in knapp 20 Minuten Revue passieren lassen, was es in den vergangenen sieben Jahren an rechtsradikalen Umtrieben im Landkreis Göppingen gegeben hat.

 

Beginnend bei einem Skinheadkonzert in Eybach spannte der Kriminalbeamte den Bogen über die Demonstration der Jungen Nationaldemokraten in Göppingen im Jahr 2006 und einen Neonazi-Liederabend zwei Jahre später in Albershausen, bis hin zu den aktuellen Vorfällen. Deren jüngster ereignete sich erst vor gut einer Woche, als der Volkstrauertag in Göppingen für einen sogenannten Heldengedenktag missbraucht wurde. Schmolz verwies auf Gemeinsamkeiten, die hauptsächlich in den handelnden Personen zu finden seien, aber auch auf die Unterschiede.

Rechtsradikale immer selbstbewusster

So hat sich aus seiner Sicht vor allem die Organisationsstruktur der Rechten verändert. „Zu Beginn sind zwar keine Organisations-, aber eben doch Parteistrukturen erkennbar gewesen“, sagte der 55-jährige Experte. Dies habe sich im Jahr 2010 mit dem Aufkommen der Autonomen Nationalisten in Göppingen geändert, die vor allem in einem losen Netzwerk via Internet kommunizierten, fügte er hinzu. „Die Gruppe hat darüber hinaus linksextremistische Erscheinungsmerkmale adaptiert, schmückt sich mit politischen Pseudothemen, provoziert regelmäßig mit fragwürdigen Aktionen und zeigt sich zunehmend selbstbewusst“, betonte Schmolz.

Staunen bei den Kreisräten löste der Polizeibeamte mit seiner Aussage aus, dass lediglich zwei Aktivisten als Rädelsführer der Autonomen Nationalisten anzusehen seien. Um diese herum habe sich ein gutes Dutzend Mitläufer geschart, die in wechselnder Besetzung an Aufmärschen und Kundgebungen teilnähmen, ergänzte er. Die Behörden reagierten zwar mit diversen Ermittlungsverfahren, einer konsequenten Strafverfolgung und auch mit Hausdurchsuchungen. „Dennoch ist es, auch aufgrund ihres spontanen Handelns, oft schwierig, den Verantwortlichen beizukommen“, erklärte Schmolz.

Der Landrat ist erschrocken

Der Göppinger Landrat Edgar Wolff zeigte sich angesichts der vorgestellten Entwicklung „erschrocken“ und versprach „speziell dem Rechtsextremismus gegenüber sehr wachsam zu sein“. Auch sonst waren die Reaktionen von Betroffenheit gekennzeichnet. So sprach der Bad Boller Bürgermeister und Freie-Wähler-Kreisrat Hans-Rudi Bührle unverblümt davon, „dass der Kreis zumindest in der Außenwahrnehmung zum Aufmarschgebiet der Rechtsextremen geworden ist“.

Sascha Binder (SPD) forderte, „auf die vernünftige Mitte zwischen den Rechts- und den Linksextremen zu setzen und diesen Leuten, die sich da engagieren, das Vertrauen zu schenken“. Von verschiedenen Seiten wurde der Ruf nach Aufklärung und Prävention laut. Es ergingen auch eindeutige Appelle, die Auftritte der Neonazis nicht länger zu bagatellisieren, so wie dies in der Vergangenheit bisweilen geschehen sei.