Gleich bei der ersten Landtagsdebatte zur Regierungserklärung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann wird der Ton zwischen der AfD und den anderen Parteien im Landtag rauer.

Stuttgart - Die etablierten Parteien und die AfD haben sich bei der ersten Debatte am Mittwoch im Landtag einen heftigen Schlagabtausch geliefert. In der Aussprache über die Regierungserklärung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) handelte sich AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen Kritik ein: In seiner ersten Rede als Oppositionsführer brachte er aus seiner Sicht zu zögerliche Hilfe für die Unwetteropfer im Südwesten mit großzügiger Unterstützung von Flüchtlingen in Zusammenhang. Daraufhin rügte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne): „Unwetteropfer gegen Flüchtlinge auszuspielen, ist schändlich.“ Das Land habe überdies sofort ein Hilfsprogramm aufgelegt.

 

Auch die Chefs der Fraktionen von Grünen, CDU und FDP - Andreas Schwarz, Wolfgang Reinhart und Hans-Ulrich Rülke - wandten sich gegen jegliche Hetze gegen Schutzsuchende, das Schüren von Ängsten und antieuropäische Töne.

Kretschmann knöpfte sich auch die umstrittene AfD-Abgeordnete Christina Baum vor. Wenn sie behaupte, dass die Wahl der Grünen-Politikerin Muhterem Aras, einer Alevitin, zur Landtagspräsidentin ein Zeichen der Islamisierung Deutschlands sei, stelle sie das Grundgesetz infrage. Demnach müsse nämlich jeder Deutsche nach Leistung und Befähigung Zugang zu öffentlichen Ämtern haben. Dabei spiele die Religion keine Rolle. Die Vize-Landeschefin der AfD nahm das lächelnd hin.

Regierungserklärung von „Phrasen geprägt“

Rülke, SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sowie Meuthen kritisierten die Regierungserklärung Kretschmanns vom vergangenen Mittwoch als wenig konkret. Die Erklärung sei in weiten Teilen von Phrasen geprägt; wenn sie konkret werde, dann beziehe sie sich auf Reformen, die Grün-Rot bereits angestoßen habe, bemängelte Stoch. Seinen Kollegen Schwarz und Reinhart überreichte der Sozialdemokrat einen „Phrasengenerator“. Laut SPD ist der Nutzer damit in der Lage, sich eigene Worthülsen zurecht zu drehen, um „bei jedem Disput über die Politik der neuen Landesregierung kompetent Paroli zu bieten“.

Stoch warf der grün-schwarzen Landesregierung vor, die Interessen weiter Teile der Gesellschaft nicht zu vertreten. Das gelte für Arbeitnehmer, arme Familien mit Kindern und Menschen auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum. „Wir brauchen mehr Tatkraft von dieser Regierung.“

Für den Liberalen Rülke geht Grün-Rot weiter wie bisher - „nur der Juniorpartner wurde ausgewechselt“. Wenn CDU-Innenminister Thomas Strobl behaupte, dass viel schwarze Tinte im Koalitionsvertrag zu finden sei, handele es sich offenbar um Zaubertinte. Entweder würden bisherige Projekte geprüft oder evaluiert - wenn nicht, stünden sie unter Finanzierungsvorbehalt. An Konkretem falle ihm nur die „Inflation“ von Staatssekretären unter Grün-Schwarz ein.

Der Fall Gedeon

Meuthen, der auch die Bundespartei gemeinsam mit Frauke Petry führt, nannte den Koalitionsvertrag „intellektuell arm und absolut uninspiriert“. „Er bringt zum Ausdruck, dass Sie nur einen Arbeitsmodus kennen: Verwalten!“

Christdemokrat Reinhart sprach hingegen von einer „Koalition der ungeahnten Möglichkeiten“. Es gelte, ein Gemeinwesen unterschiedlicher Wertvorstellungen zu gestalten. Die Politik müsse verhindern, dass sich ganze Milieus aus unserer Gesellschaft verabschiedeten und sich von der Opposition verführen ließen. „Auch eine bunte Gesellschaft braucht gemeinsame Normen.“

Der Grünen-Politiker Schwarz forderte die AfD-Fraktion auf, den Abgeordneten Wolfgang Gedeon nach Antisemitismus-Vorwürfen nicht mehr für Gremien des Landtags zu nominieren. Das sei ein „Lackmustest“ für die Fraktion: „Beweisen Sie, ob sie wirklich gegen Diskriminierung und gegen Antisemitismus sind.“ An diesem Donnerstag geht es in einer von den Grünen beantragten Landtagsdebatte über ein „Modernes und weltoffenes Baden-Württemberg“ ebenfalls um den Fall Gedeon.