Die grün-rote Landesregierung hat im Juni zwei Maßnahmenpakete auf den Weg gebracht, zum Beispiel die Mietpreisbremse. Sie sollen helfen, die Engpässe auf dem Wohnungsmarkt im Land zu lindern. Die Opposition hält das für Aktionismus.
Stuttgart - Wohnen in Baden-Württemberg – ein Luxusprodukt? Zumindest für manche Gebiete gilt das. Eine Familie, die in Freiburg eine 80 bis 120 Quadratmeter große Wohnung sucht, muss dafür mit fast 12,50 Euro pro Quadratmeter Miete rechnen. Die südbadische Universitätsstadt ist damit akut landesweit Spitze, noch vor Stuttgart, wo die vergleichbare Miete bei 12,35 Euro pro Quadratmeter liegt. Das jedenfalls fördert ein Blick auf Daten des Maklerportals Immowelt zu Tage. In Freiburg müsse mancher Mieter jeden zweiten Euro berappen, um seinen Wohnraum zu bezahlen. „Das kann so nicht bleiben“, sagte der wohnungspolitische Sprecher der SPD, Johannes Stober – und schickte eine Laudatio über die Wohnungspolitik der Landesregierung nach.
Die Sozialdemokraten hatten der aktuellen Landtagsdebatte den Titel „Bezahlbarer Wohnraum für unsere Familien – die Regierungskoalition handelt“ gegeben. Der Zeitpunkt schien günstig; der Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) hat erst vor wenigen Tagen zwei wohnungspolitische Maßnahmen von Grün-Rot vorgestellt, Umsetzungen der von der Großen Koalition in Berlin beschlossenen Mietpreisbremse und von einem noch von Schwarz-Gelb in Berlin auf den Weg gebrachten Paket.
Die Rechtsverordnung zur Mietpreisbremse ist in der Anhörung. Bis 10. August haben die Kommunen Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Sie soll noch im Sommer in Kraft treten und für 68 Orte (siehe Karte) mit angespanntem Wohnungsmarkt gelten. Die Bremse soll dafür sorgen, dass dort Mieten bei einer Wiedervermietung den ortsüblichen Vergleichsbetrag höchstens um zehn Prozent übersteigen.
Wo das Wohnen besonders teuer ist. Klicken Sie auf die Grafik für eine größere Karte
Nur Kleinwohnungen sind lukrativ
Das zweite Maßnahmenpaket gilt für bestehende Mietverhältnisse. In 44 Städten dürfen innerhalb von drei Jahren Mieten um höchstens 15 Prozent steigen – im Unterschied zu den anderen Orten, wo 20 Prozent die Grenze sind. Dort gilt auch, dass Mietwohnungen erst nach einer längeren Sperrfrist als sonst in Eigentumswohnungen umgewandelt werden können.
Grün-Rot habe darüber hinaus „die soziale Mietwohnraumförderung wieder in Schwung gebracht“, sagt Stober. Seine Koalitionspartnerin Andrea Lindlohr (Grüne) sprang ihm bei: Der Wohnungsbau im Land nehme wieder zu. Doch löse das die Probleme von Familien nicht, denn lukrativ für Investoren seien Kleinwohnungen und „ganz schicke“ Etablissements. Darum bedürfe es der Steuerung. Die Landesregierung sei dazu im Gespräch mit kommunalen Wohnungsunternehmen, deren Anregungen seien ins Regierungshandeln eingeflossen. „Grün-Rot sorgt dafür, dass es sich auch als Mieter im Land gut leben lässt“, fasste Minister Schmid zusammen. Das Land trage dazu bei, dass mehr Wohnraum entstehe, dass bestehender Wohnraum gesichert und nicht zweckentfremdet werde und dass Mieten bezahlbar blieben.
Für die Opposition ist das bestenfalls Aktionismus, wenn nicht schon kontraproduktiv. „Mehr Ziegelsteine, weniger Bürokratie“ lautet das Rezept von Tobias Wald (CDU). Er sieht die Mietpreisbremse als Auslöser für eine Klagewelle, die aufs Land zurollen werde. Was die Gestaltung der Förderprogramme angehe, treibe Grün-Rot die Bürokratisierung so weit, dass die Zahl der Anträge „in den Keller geht“ und die erhöhten Fördermittel gar nicht abgerufen werden. Die Regierungskoalition sorge selbst dafür, dass Bauen, und damit auch Wohnen, teurer wird: Sie habe etwa die Grunderwerbsteuer erhöht oder per Landesbauordnung oder Umweltauflagen den Eigentümern teure Vorschriften gemacht.
Kein Ministerwort zum Wohnungsverkauf
Teilweise auch unsinnige Auflagen, wie der Chef der Liberalen im Landtag, Hans-Ulrich Rülke, findet. Er sprach von „Zwangsefeu“ und davon, dass der für die Landesbauordnung zuständige Minister Winfried Hermann (Grüne) „eine Bedrohung für den Mietwohnungsbau in Baden-Württemberg“ sei. Bauen sei überwiegend Privatsache, sagte Rülke. „Also braucht man Investoren.“ Angesichts von Niedrigzinsen wäre die Zeit auch günstig für Geld anlegen wollende Investoren. „Aber man muss es attraktiv machen.“ Stattdessen produziere die Landesregierung „Investorenverschreckungsprogramme“.
Wald und Rülke hofften auch auf ein Wort von Schmid zum Verkauf der Südewo. 21 000 Wohnungen waren 2012 für 1,43 Milliarden Euro von der LBBW an die Südewo gegangen; 19 800 davon übernimmt nun die Deutsche Annington – für 1,9 Milliarden, 465 Millionen mehr in drei Jahren. Ein schlechtes Geschäft für die Steuerzahler? Schmid ging nicht darauf ein.