SPD-Fraktionschef Martin Körner würde viel städtisches Geld ausgeben, um Kraftwerke zu kaufen und umzurüsten. Der Grünen-OB Fritz Kuhn lehnt das entschieden ab. Aber auch sonst gibt es Differenzen zwischen diversen Akteuren auf diesem Feld.

Stuttgart - Ehrgeizige Ziele und Maßnahmen verfolgt Stuttgart im Klimaschutz schon lang. Aber kommt man gut genug voran? Muss man umsteuern? Die Meinungen sind geteilt, während sich OB Fritz Kuhn (Grüne) und der Gemeinderat anschicken, eine weitere Stufe zu zünden – mit einem 190 Millionen Euro teuren Aktionsprogramm. Wir sortieren, wie sich wichtige Akteure zuletzt im Klimaausschuss positionierten.

 

Wie schätzt man die Stadtwerke Stuttgart (SWS) ein?

Sie werden von der Stadt als Motor der urbanen Energiewende angesehen, die Stuttgart letztlich zur klimaneutralen Stadt machen soll. Man brauche aber „eine neue Strategie“, sagt SPD-Fraktionschef Martin Körner, womit er vor allem die SWS meint, mehr Anstrengungen für erneuerbare Energien und vor allem für eine klimafreundlichere Versorgung Stuttgarts mit Heizwärme. Auch Hannes Rockenbauch (SÖS) fordert mehr strategische Ordnung der Stadt anstatt Sofortmaßnahmen ohne, wie er meint, ausreichenden Plan. SWS-Chef Olaf Kieser denkt, die Konzentration des Unternehmens auf erneuerbare Energien sei richtig. „Strategie und Intensität stimmen.“ Man sei aber gern bereit, mehr zu tun. Vor allem müsse man die Bürger zu mehr Fotovoltaik an ihren Häusern animieren, praktische Hindernisse für sie abbauen. Umweltbürgermeister Peter Pätzold (Grüne) hält „keine neue Strategie für die SWS, sondern eine Anpassung“ für fällig: „Stimmen die Felder noch?“ Das soll im April von Aufsichtsratsmitgliedern und anderen Stadträten ergründet werden.

Wie denken externe Experten?

Die Zukunft liege in den Energielieferanten Wind und Sonne und der chemischen Energieerzeugung, sagt der Energiewissenschaftler Joachim Nitsch, Mitglied eines Fachbeirates der Stadt. Stuttgart müsse „aktiver auf das Thema Fotovoltaik gehen“, auch aktiver auf Gebäudeeigentümer einwirken. Die Solarthermie, die Erzeugung von Heizenergie auf dem Dach, solle man nicht ganz vergessen. Beim Aufstellen und bei der Umsetzung eines „flächendeckenden Konzeptes für die Wärmeversorgung“ dürfe Stuttgart keine Zeit mehr verlieren. Das Land mache dies zur Pflicht.

Wie kommt man schneller weg von fossilen Energieträgern, die viel CO2 freisetzen?

Mit Abstand das effektivste Vorgehen sei es, wenn die Stadt vom Vermögen, das in einer Holding angelegt ist, einen stattlichen Betrag zu den SWS oder in die für Stuttgart relevanten Kraftwerke umschichte, um dort die Umstellung zu beschleunigen, findet SPD-Mann Körner. Die Rede war von 300 Millionen Euro und zusätzlichem Fremdkapital. Gemeint sind ein Kohlekraftwerk in Altbach (Landkreis Esslingen) und das Heizkraftwerk in Münster, von der EnBW betrieben. Dort solle die Stadt die Wärmeversorgung in Stuttgart umstellen. Dafür bietet sich Gas an.

Wie denkt OB Kuhn darüber?

Mit ihm gebe es keinen Kauf des Wärmenetzes mit den Kraftwerken von der EnBW, sagt der OB: „Da würde ich bundesweit berühmt werden – aber als Mann mit Narrenkappe.“ Er wolle der EnBW nicht den Gefallen tun, Kraftwerke zu übernehmen und die Kohle zu ersetzen, nachdem im Bund der Ausstieg zum Jahr 2038 vereinbart worden ist. Von der ganzen Wirtschaft in Stuttgart erwartet er, dass sie „auf Hochdruck Beiträge zur Verringerung des Ausstoßes von CO2 leiste.

Was könnte die Stadt ansonsten tun?

Nitsch empfiehlt, dass Stuttgart versucht, mit der EnBW einen Plan zum lokalen Kohle-Ausstieg bis 2030 zu schmieden, weitere Kraftwerke neben jenem in Gaisburg auf Gasbetrieb umzustellen – und damit Impulse für eine Beschleunigung des Kohle-Ausstieges in Deutschland gibt. Kuhn sieht darin eine „sympathische Idee“. Wenn die ganze Region schneller aussteigen würde, sei das motivierend.

Welches Signal kommt von der EnBW?

Die Stadt tue gut daran, die Akteure zu motivieren statt Übernahmen zu diskutieren, meint Harald Hauser, Manager bei der EnBW-Tochter Netze BW und dem gemeinsam mit den SWS gegründeten Unternehmen Stuttgart Netze. Der CO2-Ausstoß für die Wärmeversorgung, der in Stuttgart auf Kohle zurückgehe, sei schon untergeordnet. In den Heizwerken verfeuere man in der Regel Müll, Gas und „ein bisschen Heizöl“.

Wie steht es um die Wärmeversorgung?

Auf dem Sektor, denkt Kuhn, sei man „tatsächlich in der Defensive“. Mit Blick auf die Rolle der SWS spricht er vom Ziel, das geplante Neubaugebiet Schafhaus in Mühlhausen und jedes weitere neue Baugebiet mit Nahwärmeversorgung zu realisieren, also beispielsweise in Blockheizkraftwerken erwärmtes Heizwasser zu den Häusern zu leiten, auch im Rosensteinviertel von S 21. Der OB klagt: „Das ist manchmal wie Häuserkampf, wenn man vor Ort anbietet, Nahwärmenetze aufzubauen.“ Überhaupt: Neben der Wirtschaft müssten beim Klimaschutz auch die Bürger Beiträge liefern. Doch bei Bürgerversammlungen blicke man manchmal in „stumme Gesichter“. Wiewohl die Stadtverwaltung glaubt, dass man im Ganzen betrachtet gut unterwegs sei.

Wie ist die Lage bei der Fernwärme?

Bei der Fernwärme, die von der EnBW großräumiger am Neckar und bis in Teile der Stuttgarter Innenstadt hinein verteilt wird, gebe es vielleicht Erweiterungsmöglichkeiten, meint Jürgen Görres vom Umweltamt. Den Schritt solle man aber nur machen, wenn man „grüne Fernwärme“ – ohne Kohleeinsatz – habe. Die Frage sei auch, ob die Stadt noch das Umstellen von Heizungen auf Erdgas fördern solle.

Sollte man wirklich weg vom Gas?

Harald Hauser hält das Gasnetz für wichtig. Der Absatz in Stuttgart steige. Mit Hilfe von Erdgas sei am Kraftwerksstandort Gaisburg eine riesige Verringerung des CO2-Ausstoßes gelungen. Biogas mit guter CO2-Bilanz gewinne an Bedeutung. Es könne ins Netz eingespeist werden. Synthetisch erzeugtes Gas als chemischen Speicher müsse man „auf dem Radar behalten“.

Wie ist die Haltung der Umweltverbände?

Sie sind in den Fachbeirat und spezielle Arbeitsgemeinschaften einbezogen, aber unzufrieden mit deren Sachstandsberichten im Ausschuss. Das Klima- und Umweltbündnis moniert: Die Notwendigkeit, den Autoverkehr um 20 Prozent zu verringern, sei nicht zur Sprache gekommen – auch nicht, dass man mit den Klimaschutzplänen immer noch weit hinter den Zielen bei der Energieeinsparung in Stuttgart herhinke.