Beim Thema Bildung gehen die Meinungen auseinander: Die grün-rote Regierung von Baden-Württemberg will das Schulsystem zukunftsfest machen, die CDU-/FDP-Opposition klagt über Schulschließungen.

Stuttgart - Im Streit über die Zukunft der Schulstandorte in Baden-Württemberg stehen sich die Parteien unverändert unversöhnlich gegenüber. Fast ein Jahr nachdem Kultusminister Andreas Stoch (SPD) im Mai 2013 seine Eckpunkte zu einer regionalen Schulentwicklung in einer Regierungserklärung umrissen hatte, brachte er am Mittwoch den Gesetzentwurf dazu in den Landtag ein. An den Positionen der Parteien hat sich so wenig geändert wie an den Eckpunkten. Während Stoch das breite Beteiligungsverfahren lobte, kritisierte Georg Wacker (CDU), dass die Regierung auf Kritik nicht reagiert habe.

 

Für Stoch bildet das neue Gesetz die Grundlage, um „langfristig leistungsstarke Schulstandorte“ zu schaffen. Mit dem Gesetz lasse die Regierung „nicht länger zufälliges Schulsterben zu“. Vielmehr habe sie gemeinsam mit den Kommunalen Landesverbänden ein Konzept gefunden. Angesichts zurückgehender Schülerzahlen und des veränderten Schulwahlverhaltens der Eltern seien schon 400 Haupt- und Werkrealschulen willkürlich verloren gegangen.

Das Gesetz zur regionalen Schulentwicklung soll garantieren, dass alle Schüler ihren gewünschten Schulabschluss in erreichbarer Nähe machen können. Der Abschluss ist dabei nicht mehr an eine bestimmte Schulart gekoppelt. So bietet die Gemeinschaftsschule unterschiedliche Abschlüsse unter einem Dach. Mindestgrößen von 40 Schülern pro Jahrgang sollen an den Schulen künftig langfristig Zweizügigkeit und Qualität garantieren. Es werde keine bestehende Schule geschlossen, die es auf mehr als 16 Schüler in der Eingangsklasse bringe, betonte der SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei.

Grün-Rot macht sich für das zweigliedrige Schulsystem stark

Die grün-rote Koalition tritt für das Zwei-Säulen-System ein, das neben dem Gymnasium eine integrative Säule aus den anderen weiterführenden Schularten vorsieht. „Das Zwei-Säulen-System ist inzwischen Allgemeingut“, sagte Stoch, es sei „ein Irrglaube anzunehmen, das dreigliedrige Schulsystem lasse sich erhalten“. Sandra Boser (Grüne) erinnerte die CDU daran, „dass das Zwei-Säulen-Modell in vielen anderen Bundesländern Realität ist“. Das Ziel des Gesetzentwurfs sei, „die Bildungschancen im Land zu verbessern“.

Von mehr Zukunftsfestigkeit, die sich aus dem Gesetz ergebe, will die Opposition nichts hören. Georg Wacker klagte, „der Kultusminister legt ein in der Geschichte des Landes einmaliges Schulschließungsgesetz vor“. Bei dem Gesetz handle es sich um „ein Privilegierungsgesetz für die Gemeinschaftsschule“, frischte Wacker die alten Vorbehalte der CDU wieder auf. Die CDU verlangt, dass alle weiterführenden Schulen gleichbehandelt werden. Entschieden wendet sie sich gegen den Wunsch der Regierung, dass sich Realschulen zu Gemeinschaftsschulen entwickeln sollten.

Während Grün-Rot Öffnungstendenzen der Realschulen Richtung Gemeinschaftsschulen ausmacht, zeigt sich für den Realschullehrerverband das Gegenteil. „Die Einschüchterungspolitik der Landesregierung, aus ideologischen Gründen eine Schulart zu opfern, wird langfristig keinen Erfolg haben“, wettert Irmtrud Dethleffs-Niess, die Landesvorsitzende des Verbands. Sie beruft sich auf Salem am Bodensee. Dort setzten sich Bürger jüngst in einem Bürgerbegehren erfolgreich für den Erhalt der Realschule ein. Die Forderungen des Realschullehrerverbands macht sich die CDU zu eigen.

FDP kritisiert mangelnde Einbindung der Kommunen

Mit drastischen Worten sparte auch Timm Kern, der Bildungsexperte der FDP im Landtag, nicht. Das Gesetz zur regionalen Schulentwicklung diene nur dem „zentralen Projekt“ der grün-roten Regierung, „der Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems“. Er kritisierte zum wiederholten Mal, dass 209 Gemeinschaftsschulen ohne Absprache zwischen den Kommunen entstanden seien. Erst hätte das Konzept zur regionalen Schulentwicklung kommen müssen, dann die Gemeinschaftsschule, so Kern. Das Gesetz war beim Amtsantritt Stochs im Januar 2013 als eine der Hauptaufgaben des neuen Kultusministers betrachtet worden. Kern sagte: „Die regionale Schulentwicklung hätte das Meisterstück des Kultusministers werden können, jetzt ist es ein halbherziger Tätigkeitsnachweis“.

Das Gesetz soll zum kommenden Schuljahr in Kraft treten. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erwartet nun, dass die Landesregierung ein Konzept erstellt, das Hauptschullehrern, deren Schulen geschlossen werden, eine berufliche Perspektive mit Aufstiegsmöglichkeiten bietet.