Rechtlich sind die Voraussetzungen für den beruflichen Wiedereinstieg nach der Elternzeit gegeben. Doch Unternehmen spielen oft nicht mit. Dazu haben eine Politikerin und eine Anwältin klare Meinungen.

Eine erfolgreiche Frau in guter Position bekommt ein Kind und möchte nach der Elternzeit wieder mit 75 Prozent in ihren Job einsteigen. Doch ihr Arbeitgeber erklärt, dass Teilzeit in der bisherigen Position nicht möglich sei und bietet eine weniger qualifizierte Stelle an.

 

„Sie könnte auf ihren alten, auch höher dotierten Arbeitsplatz klagen, und würde gewinnen“, sagte Smaro Sideri, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Oberboihingen (Kreis Esslingen). „Aber sie will nicht vor Gericht, weil sie es sich nicht mit ihrem Chef verscherzen will. Das ist eine Situation, die ich häufig erlebe.“ Julia Goll, FDP-Landtagsabgeordnete und Mutter von fünf Kindern, hat am Donnerstag im Quader 12 in Waiblingen viel zum Thema „Zurück in die Zukunft – Beruflicher Wiedereinstieg und Work-Life-Balance“ beitragen können. Moderiert wurde der Abend von Annette Clauß, Redakteurin unserer Zeitung.

Traditionelle Rollenbilder sind eine Ursache

Die Gesetzeslage sei eindeutig, doch die Praxis sehe anders aus, sagt Smaro Sideri, die einen Blog mit dem Titel „Attraktive Arbeitgeber gesucht“ hat. Rein rechtlich habe die Bundesrepublik mit der Elternzeit, jeweils drei Jahre pro Kind und pro Elternteil, alle Voraussetzungen geschaffen, um Müttern und Vätern gleichberechtigt Zeit mit ihren Kindern zu verschaffen und den Wiedereinstieg in den Beruf zu ermöglichen. Doch in der Realität nutzten noch immer viel mehr Frauen als Männer die Elternzeit, und das auch in deutlich unterschiedlicher Dauer. Während Mütter länger zuhause bleiben, leisten sich Väter durchschnittlich nur drei Monate Abstinenz von der Arbeit.

Viel hänge nach wie vor mit traditionellen Rollenbildern zusammen, sind sich Smaro Sideri und Julia Goll einig. Die Möglichkeit, nach der Elternzeit in Teilzeit zu arbeiten, sei für die meisten Männer noch immer ein „No go“, erklärte Smaro Sideri, da es einem Karriere-Aus gleichkomme. Dabei, so Julia Goll, seien im Idealfall beide Elternteile – nach der Elternzeit – jeweils zu 80 Prozent berufstätig und teilten sich die Kinderbetreuung. Hoffnung setzen die Frauen auf den Fachkräftemangel. „Das könnte der entscheidende Punkt sein, dass sich Unternehmen mehr für Teilzeit öffnen“, sagte die Anwältin. Nach ihrer Erfahrung steckten gerade mittelständische Arbeitgeber oft noch in alten Welten und Werten fest.

Dabei sei die 2019 vom Gesetzgeber geschaffene Brückenteilzeit, bei der die Dauer der Teilzeitbeschäftigung – zwischen einem Jahr und fünf Jahren – festgelegt werde, für beide Geschlechter eine gute Alternative.

Julia Goll hat fünf Kinder zwischen 17 und 25 Jahren. Im öffentlichen Dienst werde einem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einfacher gemacht als in der Privatwirtschaft, sagte die ehemalige Richterin am Landgericht Stuttgart. „Der öffentliche Dienst muss auch diesbezüglich Vorreiter sein. Aber auch hier schafft es der Arbeitgeber nicht, alle zurückzuholen.“ Doch neben dem gesellschaftlichen und unternehmerischen Umdenken sei die wichtigste Grundvoraussetzung, dass eine Frau überhaupt arbeiten gehen könne, das Angebot an Kinderbetreuung. Da liege vieles im Argen.

„In Stuttgart klagen derzeit viele Eltern, weil die Stadt den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz nicht erfüllen kann“, sagte Julia Goll: „Da muss dann eben auch Geld in die Hand genommen werden.“

Sie habe ihre Kinder in den 1960er- und 70er-Jahren bekommen, erzählte eine Zuhörerin. „Ich hatte damals gar keine andere Möglichkeit, als Heimchen am Herd zu sein.“ Man habe schon viel erreicht, stimmten Julia Goll und Smaro Sideri zu. „Und wir Frauen haben es auch mit der Erziehung unserer Söhne in der Hand, welche Männergeneration wir bekommen“, sagte Julia Goll.