Kultur: Tim Schleider (schl)

Diese Gefahr mag bestehen, selbst wenn Fritze dies nicht aktiv beabsichtigt. Der entscheidende Punkt ist aber ohnehin, ob es generell viel nützt, eine Tat wie jene von Georg Elser moralphilosophisch zu betrachten. Schließlich haben schon die alten Griechen das Thema Tyrannenmord philosophisch von allen Seiten betrachtet, haben spätere Denker das Problem im Lichte neuer Systeme, neuer Umstände immer wieder hin- und hergewendet. Eine einfache, zeitunabhängige Antwort hat es trotzdem nie gegeben. Die abstrakte Debatte schärft den Blick für das Dilemma, ohne selbst eine Einordnung der Tat liefern zu können. Zeiten, Umstände, Taten sind stets von einmaliger Qualität. Darum können sie auch nie einfach Vorbild für uns sein. Aber sehr wohl ein Impuls, über eigene Zeiten und Umstände nachzudenken.

 

Wenn es im Falle Georg Elsers einen Punkt gibt, der wirklich für alle Zeiten eine bohrende Frage liefert, dann ist es zunächst ein ganz anderer: Warum hat dieser Mann so früh und so genau das Unrecht und die Gewalt um sich herum wahr- und ernst genommen? Warum hat er daraus den richtigen Schluss gezogen, dass noch viel größeres Unrecht, noch schlimmere Gewalt folgen werden? Und warum haben Millionen andere dies nicht getan?

Routiniert verlässt die Protokollantin den Raum

Just für diesen Punkt findet der „Elser“-Regisseur Oliver Hirschbiegel ein starkes Filmbild: Als Georg Elser beim Gestapoverhör die Aussage verweigert, verlässt die Protokollantin routiniert das Büro. Sie weiß, dass es nun erst mal ohne Protokoll weitergeht, weil jetzt nämlich gefoltert wird. Auf dem Flur setzt sie sich auf eine Bank. Sie hat für solche Fälle stets ein Buch dabei, um die Wartezeit zu überbrücken. Ganz langsam fährt die Kamera auf sie zu, wir sehen nichts als ihren konzentrierten Blick auf die Seiten. Derweil dringen von innen die Schmerzensschreie des gequälten Elsers, lauter und lauter. Sie hört es nicht, es hat nichts mit ihr zu tun. Ganz nah ist die Kamera schließlich am Gesicht der Frau. Und fragt: Wie schafft sie das?

Georg Elser hat dies nicht geschafft. Es geht heute nicht darum, in seinen Taten etwas Heldisches zu sehen – alle Taten werden stets zu erörtern sein –, sondern in seinem Mitgefühl das unbedingt Menschliche. Da steckt für uns der Haken.