Die Bekämpfung des Fichtenschädlings ist zentrale Frage. Teilstudie und ein Arbeitskreis beschäftigen sich mit dem Thema Borkenkäfer.

Stuttgart - Er ist unscheinbar, dunkelbraun und nur knapp 4,5 Millimeter groß. Doch der Borkenkäfer mit dem lateinischen Namen Ips typographus gilt als gefährlichster Fichtenschädling überhaupt. Die Fichte ist mit einem Anteil von gut 40 Prozent noch immer die Hauptbaumart in Baden-Württemberg. Somit ist das von dem winzigen Rindenbrüter ausgehende Bedrohungspotenzial für die Forstwirtschaft groß, die möglichen finanziellen Schäden immens.

 

Ein Nationalpark allerdings, in dem den darwinistischen Kräften der Natur freien Lauf gelassen wird, könnte sich rasch zur Brutstätte des Borkenkäfers entwickeln, den Wald zum Absterben bringen und auf großen Flächen bleiche Baumskelette zurücklassen. Das ist die Sorge vieler Menschen in der Region Nordschwarzwald. Alarmiert sind auch die Waldbesitzer rund um das 17 000 Hektar große Suchgebiet des geplanten Nationalparks, der einmal nur rund 10 000 Hektar umfassen soll. Sie befürchten, dass aus der menschlichen Einflüssen entzogenen Wildnis massenhaft Käfer ausschwärmen und ihre Wirtschaftswälder massiv schädigen oder gar vernichten könnten.

Tatsächlich ist das Thema Borkenkäfer und Forstwirtschaft in der Debatte über einen Nationalpark im Nordschwarzwald besonders umstritten. Agrarminister Alexander Bonde nimmt die Sorgen ernst und lässt deshalb dieses Thema in einer Teilstudie aufarbeiten. Sie soll in das Gesamtgutachten zum Nationalpark einfließen und die Chancen, Folgen und Risiken dieses Großschutzgebietes beleuchten. Die Fragen dazu sind im Herbst vergangenen Jahres auf einer Tagung unter breiter Beteiligung der Bevölkerung gesammelt worden. Das Gesamtgutachten soll zum Jahresende vorliegen. Zudem ist der Sachverstand der Region gefragt, der in  das Gutachten einfließen soll – sieben regionale Arbeitskreise sind jüngst eingesetzt worden. Ein Arbeitskreis, besetzt mit    Forstwissenschaftlern, Förstern und Naturschützern, beschäftigt sich ebenfalls explizit mit dem Waldumbau und dem Borkenkäfer.

Heißes Thema: Sicherheitsabstand zu Waldnachbarn

Auch die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) stellte die Frage, „Nationalpark – Brutstätte für Borkenkäfer?“ in den Mittelpunkt einer Tagung im Frühjahr in Freiburg. Heftig diskutiert war unter den Wissenschaftlern dort insbesondere die Frage, wie groß die Sicherheitszone zu den Waldnachbarn sein muss, berichtet Hansjochen Schröter, der Leiter der Abteilung Waldschutz bei der FVA. 500 Meter Sicherheitsabstand zur Kernzone des Borkenkäfers jedenfalls sind für Michael Habermann von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt aufgrund der Erfahrungen im Westteil des Nationalpark Harz völlig ausreichend. 1000 Meter Abstand hingegen forderte Johann Hilz, Waldbesitzer und Nationalparkanrainer im Bayerischen Wald aus leidvoller eigener Erfahrung. Bezüglich der Höhe jedenfalls seien dem „Käfer keine Grenzen gesetzt“, das nahm der FVA-Waldschutzexperte Schröter überrascht zur Kenntnis. Laut bisherigem Kenntnisstand sei der Borkenkäfer nur unterhalb von 1000 Meter Höhe aktiv gewesen.

Zwar möchte der FVA-Abteilungsleiter dem Gutachten nicht vorgreifen, doch hält er die Borkenkäferproblematik für beherrschbar in einem auf 30 Jahre angelegten Entwicklungsnationalpark. „Das ist zu managen, jedoch nicht zum Nulltarif zu haben“, sagt Schröter. Doch wie der Wald in diesem Zeitraum umgebaut werden soll, welche Bereiche zunächst als Managementzonen gelten, in denen forstbaulich eingegriffen und auch der Borkenkäfer bekämpft werden kann, könne erst definiert werden, wenn einmal das tatsächliche Nationalparkgebiet festgelegt ist. Zudem gibt es derzeit keine neue Bestandszählung der Baumarten und ihres Zustands in dem Gebiet. Aussagen über die Entwicklung sind also nicht möglich, heißt es aus den zuständigen Forstämtern. Diese Daten sollen im Sommer vorliegen, zurzeit findet erstmals seit dem Orkan Lothar die sogenannte Forsteinrichtung statt.

Effektive Bekämpfung des Borkenkäfers erfordert Kontrolle

„Eine laufende Überwachung ist für eine effektive Bekämpfung des Borkenkäfers unerlässlich“, sagt Schröter. Das sei in einem Wirtschaftswald ebenso notwendig wie in den Pufferzonen eines Nationalparks. Vor allem gelte dies in trockenen und heißen Sommern, in denen die Borkenkäfer zudem große Mengen geeignetes Brutmaterial für eine massenhafte Vermehrung fänden – durch Schneebruch oder nach Stürmen geschädigte oder umgestürzte Bäume. Die beiden jüngsten Kalamitäten im Südwesten 1990 nach den Orkanen Vivian und Wiebke sowie 1999 nach Lothar dürften vielen Menschen im Land noch im Gedächtnis sein – zumindest die Bilder mit den riesigen Nassholzlagern.

Damals ging es darum, das Sturmholz möglichst rasch aus den Wäldern zu holen, damit die Borkenkäfer nicht auf bestehende Waldbestände überspringen. Die Beregnung der Baumstämme entzog dem Schädling die Lebensgrundlage, konservierte zudem die Qualität des Holzes über einen längeren Zeitraum, finanzielle Verluste aufgrund des plötzlichen Überangebots konnten so gemildert werden.

Vorstellungen der Menschen vom Wald sehr unterschiedlich

Für den Wald allerdings sei ein Borkenkäferbefall „keine Katastrophe“, sagt der Experte Schröter. „Die Bannwälder zeigten, dass sie sich regenerieren“, allerdings nicht immer so, wie die Menschen es erwarteten. Hier träfen „sehr unterschiedliche Weltbilder oder Vorstellungen aufeinander“, hatte auch Michael Suda von der Technischen Universität München auf der FVA Tagung konstatiert.

Die Gegner sprächen von einem „Waldfriedhof“ und „Baumleichen“, Befürworter idealisierten die „Wildnis“ und den „echten Urwald“ in einem Nationalpark. Er empfiehlt zur Versachlichung der Diskussion im Nordschwarzwald, den Nationalpark stärker als Institution zu betrachten und zu klären, wie die personellen und finanziellen Ressourcen eingesetzt werden, damit die Nationalparkverwaltung „ein Dienstleiter für die Region wird“.