Abgeordnete sollen im Bundestag im Schichtdienst präsent sein. Die SPD will mit einem solchen Modell nach der Sommerpause die Anwesenheit im Parlament erhöhen. Viel Gegenliebe ernten die Sozialdemokraten damit nicht.

Berlin - Die SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles stößt mit ihrem Vorstoß, einen Dreischichtbetrieb in ihrer Fraktion einzuführen, um die Grundpräsenz im Plenum des Bundestags zu erhöhen, auf Ablehnung bei der Union und auf Verwunderung in der Opposition.

 

In der Fraktionsspitze der Union will sich zwar offiziell niemand zum Thema äußern. Aus Fraktionskreisen ist allerdings zu hören, dass man keinen Handlungsbedarf für eine solche Initiative sieht. Die Präsenz der eigenen Abgeordneten wird als gut eingeschätzt. Die Mehrheiten für die Regierungsvorhaben zu sichern, sei zentrales Anliegen, deshalb würden die Abgeordneten auf die Termine der Abstimmungen hingewiesen. Das klappe; mehr Vorsorge sei nicht erforderlich.

„Wir müssen Plenum und Ausschussarbeit unter einen Hut bringen“

Dagegen wundert sich Franziska Brantner, Vize-Parlamentsgeschäftsführerin der Grünen, dass die Sozialdemokraten dieses Problem so spät erst anpacken. „Ich bin überrascht, dass die SPD erst jetzt über dieses Thema nachdenkt“, sagte sie unserer Zeitung. „Wir Grüne haben die Präsenz schon immer sehr ernst genommen.“ In ihrer Fraktion werde seit jeher festgelegt, bei welchen Tagesordnungspunkten alle Abgeordneten im Bundestag zu sein hätten, und wer wann im Plenum, in Ausschüssen oder Parlamentariergruppen präsent sei. „Wenn einer überraschend fehlt, telefonieren wir auch hinterher“, sagte Brantner. „Der Bundestag ist ein Arbeitsparlament. Die Herausforderung war schon immer und ist auch heute, die Arbeit im Plenum und in den Ausschüssen unter einen Hut zu bringen.“

Mittlerweile sind auch die Reihen bei der AfD manchmal ziemlich licht

Das Thema kam auch deshalb auf die Tagesordnung, weil die AfD die bei Bundestagsdebatten oft gelichteten Reihen in den Fraktionen der etablierten Parteien propagandistisch ausschlachtete. Tatsächlich versuchte die AfD in ihren ersten Monaten im Bundestag mit maximaler Anwesenheit im Plenum den Eindruck von eigenem Fleiß und Faulheit bei den anderen im Parlament vertretenen Parteien zu erzeugen. Dass die fehlenden Abgeordneten zeitgleich in anderen Gremien aktiv waren, fiel unter den Tisch. Mittlerweile, so heißt es bei der politischen Konkurrenz, schaffe die AfD es selbst nicht mehr, eine so hohe Anwesenheitsquote zu erreichen. Bei einer von der AfD beantragten aktuellen Stunde, sei jüngst an einem Freitag kaum mehr als ein Dutzend von 92 Fraktionsmitgliedern da gewesen.

Breymeier sieht hohe Plenarpräsenz als Ausdruck von Respekt gegenüber den Wählern

Leni Breymeier, Bundestagsabgeordnete und Chefin der Südwest-SPD, verteidigte dagegen den Vorstoß von Andrea Nahles. „Wir haben das in der Fraktion einmütig beschlossen und ich halte das für eine sinnvolle Sache“, sagte sie. „Die Menschen wählen Abgeordnete ins Parlament und das einzige, was die Öffentlichkeit von der Arbeit im Bundestag sehen kann, sind nun mal die Debatten im Plenum“, so Breymaier. „Deshalb sollte die Öffentlichkeit auch durch eine vernünftige Präsenz den Eindruck haben, dass dem Votum der Wähler der gebührende Respekt entgegen gebracht wird.“ Mit der AfD, so Breymaier, habe die Entscheidung nichts zu tun.