Während Kritiker in Stuttgart vor dem Risiko ausufernder Kosten bei der Opernsanierung warnen und für eine baldige Abstimmung im Landtag plädieren, sieht die Landesregierung keinen Grund zur Hektik.

Stuttgart - Allen Bekenntnissen der politischen Mehrheiten in Stadt und Land zum Trotz gibt es nach wie vor große Vorbehalte gegen die geplante und möglicherweise milliardenteure Sanierung der Stuttgarter Staatsoper. Erst kürzlich hatte der Chef der Linksfraktion im Gemeinderat, Hannes Rockenbauch, laut Zweifel daran geäußert, ob eine 500-Millionen-Ausgabe der Stadt mit Blick auf die anstehenden Investitionen in der Nach-Corona-Zeit angemessen sei oder ob das Geld nicht in anderen Bereichen dringender benötigt werde. Nun springt ihm der frühere Stuttgarter Finanzbürgermeister und Chef der Immobilienlobby Haus & Grund, Klaus Lang, bei.

 

Der altgediente Christdemokrat äußerte jüngst gegenüber unserer Zeitung die Sorge, dass die Stadt sich bei der Sanierung auf ein finanzielles Abenteuer mit offenem Ausgang einlasse. Solange das Land sich nicht ebenfalls klar zur Mitfinanzierung per Landtagsbeschluss bekenne, sei eine Grundsatzentscheidung im Gemeinderat, wie sie von OB Frank Nopper (CDU) noch vor der Sommerpause angekündigt ist, höchst riskant. Lang: „Ohne belastbare Kostenkalkulation sollte man hier nicht vorschnell beschließen.“

Jedes Jahr Bauverzögerung ergibt einen Preisaufschlag von 30 Millionen Euro

Bisher gibt es in der Tat nur eine sogenannte Grobkostenschätzung des Landes. Sie stammt aus dem Jahr 2019 und beziffert die Ausgaben für Sanierung und Erweiterung des Großen Hauses auf zwischen 737 und 958 Millionen Euro. Die Interimsoper, die das Land und die Stadtverwaltung im Nordbahnhofviertel ansiedeln möchten, ist ein gesonderter, zusätzlicher Posten von über 100 Millionen Euro. In der Kalkulation sind jährliche Baupreissteigerungen von rund 3,5 Prozent sowie eine Reserve für Unvorhergesehenes eingepreist. Pro Jahr Verzögerung der Sanierung hatte das Finanzministerium seinerzeit eine Verteuerung um 30 Millionen Euro errechnet. Bei einem möglichen Baustart für das Interim und der folgenden Sanierung in zwei bis drei Jahren entspräche das schon jetzt einem Preisaufschlag von rund 150 Millionen Euro.

Das zuständige Kunstministerium teilte am Mittwoch auf Anfrage mit, ein formeller Beschluss des Landtags sei für das weitere Vorgehen derzeit nicht erforderlich; im Landeshaushalt seien bereits Planungsmittel in Höhe von 27 Millionen Euro bereitgestellt. Damit habe der Landtag den Baubedarf grundsätzlich anerkannt und die Freigabe für die Planung erteilt. Erst nach Abschluss des Wettbewerbs werde eine belastbare Kostenberechnung vorliegen und das Parlament dann über die Umsetzung der Maßnahme beschließen. Die Stadt hat bisher eine Rücklage von 200 Millionen Euro für die Sanierung gebildet, die allerdings bereits für den Coronafonds zur Unterstützung von Clubs und Kultureinrichtungen angeknabbert worden ist.