Die Planer des Projekts Stuttgart 21 sprechen von einer „Überlegenheit“ ihrer Planung zum Anschluss der Gäubahn und kanzeln den Gutachter Leinfelden-Echterdingens ab. Bei der Bauzeit hüllen sie sich in Schweigen.
Stuttgart - Beim Projekt Stuttgart 21 will die Bahn die bestehenden S-Bahngleise zwischen Rohr und dem Flughafen für die Gäubahn mit nutzen. Es ist der letzte Bauabschnitt von S 21. Die Bewertung dieser Pläne streute am Mittwoch bei der Erörterung im Messe-Kongresszentrum weit. Florian Bitzer von der S-21-Projektgesellschaft sprach von einer „einzigartigen Verkehrsdrehscheibe“ und einem „Leuchtturm für Baden-Württemberg“, die die Bahn am Flughafen schaffe. Professor Eberhard Hohnecker, der für Leinfelden-Echterdingen die Pläne begutachtet, sprach von einer „nicht zukunftsfähigen Planung“, bei der der Betrieb laut Bahn-Richtlinie „an der Grenze zum mangelhaften Bereich“ liege. Die Strecke sei „äußerst kritisch“ und alles andere als problemlos befahrbar.
Bitzer hatte das Ergebnis einer Fahrplansimulation der Via-Consulting aus Aachen vorgelegt. Es ergebe sich eine „wirtschaftlich optimale Betriebsqualität“, die Gäubahn könne mit der neuen Führung über den Flughafen 5000 Fahrgäste pro Tag gewinnen. Dies zeige die „Überlegenheit“ der Planung gegenüber Ideen, sie weiter über die Panoramastrecke durch den Stuttgarter Westen in einen neuen Kopfbahnhof in die City zu führen. Ihn propagiert Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Hohneckers Aussagen hätten „keinerlei Relevanz“ für die Genehmigung, seine Maßstäbe seien „grob fehlerhaft“, seine Schlussfolgerungen „hanebüchen“, so Bitzer.
Deutschlandtakt nicht berücksichtigt
Hohnecker verbat sich Belehrungen. Er vermisste bei der Viacon-Untersuchung 25 Züge pro Tag. Eva Noller, Erste Bürgermeisterin von Leinfelden-Echterdingen, erklärte, die Stadt stehe zur Anbindung der Gäubahn, wende sich aber dagegen, dass eine S-Bahnlinie (S 3) gekappt werden solle. Viacon habe der Stadt nur zusammenfassende Ergebnisse geliefert, „keine Daten“, was tief blicken lasse. Und mit Blick auf den Deutschlandtakt biete der Mischbetrieb von Fernzügen und S-Bahnen „keine Zukunftsreserven“. Mit dem Takt wollen DB und Bund die Fahrgastzahl verdoppeln und alle großen Bahnhöfe im Halbstundentakt verbinden. Der Deutschlandtakt sei eine reine „Absichtserklärung“, die man bei der S-21-Planung des Gäubahnanschlusses nicht berücksichtige, so Bitzer. Wenn er komme, rede man über den Bau neuer Tunnel, die dann der Bund bezahlen müsse. Diese Tunnel propagiert der Berliner Verkehrsstaatssekretär Steffen Bilger (CDU). Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel sagte, der Deutschlandtakt solle Mitte 2021 Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans werden. „Ihre Planung könnte in wenigen Monaten Makulatur sein“, so Gastel zur Bahn. Andreas Kehgreiß vom Fahrgastverband Pro Bahn monierte „viele Engpässe“, die sich mit dem Mischbetrieb von S- und Fernbahn zum Flughafen ergäben.
Busse sollen S-Bahn ersetzen
Während des Baus des Gäubahnanschlusses an den Flughafen setzt die Bahn auf Ersatzbusse. Sie sollen statt der voraussichtlich für ein Jahr unterbrochenen S-Bahn zwischen dem dann neuen Endhalt Echterdingen und dem Flughafen sowie dem alten Endhalt in Filderstadt-Bernhausen pendeln. Am Airport entsteht im Untergrund parallel zum bestehenden S-Bahnhalt ein Gleis für die Gäubahnzüge. Die Kappung der S-Bahnverbindung soll den Bau beschleunigen.
Den Aufbau eines Interimsbahnsteiges in der Nähe des Messe-Westeingangs, den Gutachter Stefan Tritschler vom Verkehrswissenschaftlichen Institut empfiehlt, lehnte die Bahn am Mittwoch aus Kostengründen ab.
Gutachter für Interimshalt
Tritschler nannte die neue Stadtbahnlinie U 6 aus der Stuttgarter Innenstadt und die künftige U 17 aus Vaihingen als S-Bahn-Alternativen, dazu kämen die Ersatzbusse. Für bis zu 35 Messetage im Jahr mit starkem Publikumsandrang (22 000 Fahrgäste pro Tag) sei der Interimhalt zu empfehlen. An den sonstigen Tagen würden ihn aber wohl nur 2000 Menschen nutzen, denn er liegt weit von den Terminals entfernt. Die Fahrzeitverlängerung zum Airport sei durch die Unterbrechung sehr unterschiedlich, so Tritschler. Roland Morlock vom Bahnkundenverband rechnete für Pendler aus Bernhausen mit 30 Minuten mehr Reisezeit. „Wer entscheidet, ob der Interimshalt kommt?“, wollte der Bundestagsabgeordnete Gastel wissen. Die Entscheidung liege beim Eisenbahn-Bundesamt, sagte Gertrud Bühler, die die Erörterung des Regierungspräsidiums leitet.
Die Rohbauzeit für den neuen Schienenanschluss gibt die Bahn mit fünf Jahren an. Die Gesamtbauzeit, nach der Roland Morlock fragte, sei „nicht Gegenstand der Planfeststellung“, man werde sie daher nicht nennen, so Bitzer. Stuttgart 21 soll Ende 2025 in Betrieb gehen.