Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will Abschüsse von Wölfen erleichtern, wen diese etwa Schafe gerissen habe. Die EU-Kommission überprüft nun den strengen Schutzstatus der Tiere. Auch Bauernverband und BUND äußern sich.
Die strengen EU-Schutzregeln für Wölfe könnten auf Grundlage einer europaweiten neuen Datensammlung gelockert werden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Montag in Brüssel an, bis zum 22. September systematisch Daten aus ganz Europa zu Wolfspopulationen zusammenzutragen.
Eine Meldestelle sei eingerichtet. „Je mehr Daten wir von lokaler und regionaler Ebene über Bestände und Ereignisse mit Wölfen bekommen, desto genauer das Bild, desto einfacher die Überprüfung des Schutzstatus“, sagte von der Leyen. Die Auswertung der Daten soll spätestens Ende des Jahres abgeschlossen sein. Dann soll entschieden werden, ob ein Vorschlag zur Herabsetzung des Schutzstatus gemacht wird.
Spielräume sollen mutig genutzt werden
Von der Leyen forderte zudem Kommunen auf, die derzeitigen Spielräume für den Abschuss von problematischen Wölfen mutig zu nutzen. Aus ihrer Sicht ist es „völlig richtig“, dass lokale Behörden bei klarer Gefahr eine Bejagung erlauben. „Die Kommission wird deren Abwägungsentscheidung nicht in Frage stellen. Denn sie können die Situation vor Ort am besten einschätzen.“ Artenvielfalt bleibe ein wichtiges Ziel, „aber wir müssen die Gefahren, die von solchen Konzentrationen von Wolfsrudeln für Mensch und Vieh ausgehen, dabei so gering wie möglich halten.“
Bisher genießen Wölfe in Europa einen hohen Schutzstatus, sowohl nach EU-Recht als auch nach deutschem Recht. In einigen Regionen Europas wird der Schutzstatus aber aufgrund größerer Populationen angezweifelt und in der Folge auch eine Absenkung gefordert. Die Rückkehr des Wolfes führt zunehmend zu Konflikten mit Viehzüchtern und Jägern. Bislang haben lokale und nationale Behörden die Befugnis, notwendige Maßnahmen zu ergreifen.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte nach einem Bericht der „Welt“ (Montag), sie wolle den Abschuss von Wölfen erleichtern und damit Weidetiere wie Schafe besser schützen. Zuvor hatte sich die FDP in der Ampel-Koalition für weitgehende Regelungen zum Schutz von Weidetieren vor Wölfen ausgesprochen.
Laut Bundesumweltministerium werde die europäische Gesetzgebung aber von Lemkes Vorstoß gar nicht tangiert: „Der Wolf bleibt ein zu schützendes Tier.“ Im Rahmen der nationalen Gesetzgebung gebe es aber Möglichkeiten für Änderungen. Im Blick stehe zum Beispiel ein „Praxisleitfaden“, der Grundlage für die von den Ländern zu bewilligenden Abschüsse sei. Über Vorschläge dazu solle von diesem Dienstag an mit den Umweltministerien der Länder diskutiert werden.
BUND: Wolfsabschüsse helfen kaum gegen Weidetierrisse
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht die von Lemke angekündigte Erleichterung von Wolfsabschüssen kritisch. „Die Erfahrungen aus anderen EU-Ländern zeigen klar, dass sich Risse mit dem Gewehr nicht nachhaltig reduzieren lassen“, sagte BUND-Wolfsexperte Uwe Friedel.
Demnach sei in Frankreich trotz einer Abschussquote von 19 Prozent - in 2022 über 160 Wölfe – die Gesamtzahl der Risse kaum zurückgegangen. „Für die Anzahl der gerissenen Weidetiere ist nicht die Anzahl von Wölfen ausschlaggebend, sondern die Anzahl ungeschützter Weidetierherden. Die meisten Risse an Weidetieren geschehen in Deutschland an Tieren ohne Herdenschutz“, sagte Friedel. Der BUND bedauere, dass „der Herdenschutz als einzige Möglichkeit, Weidetiere präventiv und nachhaltig vor Wolfsangriffen zu schützen, vernachlässigt wird“.
Auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) vertritt die Meinung, dass eine Bejagung der Wölfe nicht den Herdenschutz ersetzen könne. „Denn egal ob 5 oder 8 Wölfe in einer Region leben: Sie stellen ein Risiko für ungeschützte Weidetiere da. Bejagung führt nicht dazu, dass Wölfe mehr Abstand zu Weidetieren halten“, sagte die Referentin für Wölfe und Beweidung, Marie Neuwald. Dieser Herdenschutz bedeute für Weidetierhalter einen erhöhten Arbeitsaufwand. Der Nabu befürworte daher eine finanzielle Förderung dieses Aufwandes.
Neuwald warnte jedoch davor, Lemkes Vorstoß fehlzuinterpretieren. „Es geht hier ganz klar um die wenigen Fälle, in denen Wölfe guten Herdenschutz überwinden und Weidetiere reißen.“ Dazu habe der Nabu keine Einwände. Neuwald betont aber: „Essenziell ist, dass der Abschuss eines streng geschützten Tieres das letzte Mittel ist, falls keine zumutbaren Alternativen bestehen. Herdenschutz bleibt das A und O, vor Abschuss.“
Bauernverband: Lemkes Vorstoß zum Wolfsabschuss dient der Vernebelung
Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, blickt ebenfalls skeptisch auf die angekündigte Erleichterung von Wolfsabschüssen. „Das dient nach unserer Einschätzung eher der Vernebelung. Ein rhetorisches Zugeständnis für erleichterte Entnahmen von einzelnen Problemtieren ist Kosmetik und reicht bei weitem nicht mehr aus“, sagte Krüsken am Montag der Deutschen Presse-Agentur. „Wir brauchen eine amtliche Feststellung, dass der günstige Erhaltungszustand erreicht ist, eine Umstufung des Schutzstatus und ein echtes Wolfsmanagement.“