Mehr Aufklärung über sexuelle Vielfalt – Grün-Rot will das Thema in den neuen Bildungsplänen verankern. Die Christdemokraten finden, die Landesregierung schieße über das Ziel hinaus. Die Kritik teilen nicht alle in der Partei.

Stuttgart - Die CDU-Fraktion hat der Landesregierung vorgeworfen, mit den neuen Bildungsplänen für die Schule die Gesellschaft zu spalten. Fraktionschef Peter Hauk sagte im Landtag, die Bildungspläne seien in der Vergangenheit immer im Konsens erarbeitet worden. „Gegen dieses Prinzip verstößt die Landesregierung.“ Das Kultusministerium habe beim Thema sexuelle Vielfalt versäumt, „ unterschiedliche Interessengruppen einzubinden“.

 

Grün-Rot wies den Vorwurf zurück. Brigitte Lösch (Grüne), die Vizepräsidentin des Landtags, verwies auf 40 Arbeitskreise, die an der Erarbeitung der Bildungspläne mitwirkten. „Da können Sie nicht sagen, die gesellschaftlichen Gruppen seien nicht eingebunden.“ Sie zeigte sich schockiert, „mit welch homophoben Tönen und mit welchem Fanatismus“ etwa im Internet diskutiert werde.

Das Thema zündet im konservativen Lager

Die von der CDU-Fraktion beantragte Landtagsdebatte war mit einiger Spannung erwartet worden. Auslöser war die von einem Realschullehrer initiierte Online-Petition, die auf der Basis eines Arbeitspapiers aus dem Kultusministerium der Landesregierung vorwirft, sie strebe „eine pädagogische, moralische und ideologische Umerziehung“ an den Schulen an. Für die Christdemokraten ist das Thema insofern heikel, weil die Kritik an der Aufklärung über verschiedene sexuelle Lebensformen im konservativen Lager zündet, die CDU aber in ihrem Ringen um innerparteiliche Modernisierung nicht in die Ecke der Ewiggestrigen gestellt werden will. So hatte der Chef der CDU-Sozialausschüsse im Land Christian Bäumler, ausdrücklich den Aufruf der drei Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann (CDU), Ute Vogt (SPD) und Cem Özdemir (Grüne) für ein weltoffenes und tolerantes Baden-Württemberg unterstützt. Bäumler sagte unlängst: „Nach dem christlichen Menschenbild sind alle Menschen Geschöpfe Gottes. Wenn Gott Menschen geschaffen hat, die homosexuell sind, so ist das zu akzeptieren.“ Bäumler fügte hinzu, er halte eine eindeutige Abgrenzung von schwulen- und lesbenfeindlichen Äußerungen für notwendig.

In diesem Spannungsfeld bewegte sich Fraktionschef Hauk. Er sagte: „Natürlich muss sexuelle Vielfalt in der Schule stattfinden, aber nicht in dieser Überhöhung. Der FDP-Abgeordnete Tim Kern assistierte: In dem Arbeitspapier kommen auf 32 Seiten 27 mal das Wort „Sex“ vor. „So kann der Eindruck der Einseitigkeit entstehen.“

Kultusminister Andreas Stoch konterte, niemand werde indoktriniert. Es gehe darum, die jungen Menschen „in einem Klima des Respekts, der Toleranz und der gegenseitigen Achtung zu erziehen“. Der Opposition warf er vor, das Thema parteipolitisch auszunutzen. Unterschiedliche Formen der Sexualität gehörten zur Normalität, infam aber sei der Vorwurf, Grün-Rot wolle diese Normalität zur Norm erheben.

Laut Kultusministerium wurde das Arbeitspapier im November im Beirat für die Bildungspläne besprochen, es sei von den Vertretern von CDU und FDP aber nicht kritisiert worden. Das Papier gehe jetzt noch in die Fachkommissionen und werde ohnehin nicht eins zu eins übernommen. Der Organisator des schwul-lesbischen Christopher Street Days in Stuttgart, Christoph Michl, sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Petition zeige, dass es in der Gesellschaft Ängste geben, die ernst zu nehmen seien. Da gebe es Nachholbedarf.