Der Jurist und Stadtrat Fabian Mayer soll Bürgermeister für Allgemeine Verwaltung, Recht und Kultur in Stuttgart werden. Doch plötzlich heißt es innerhalb und außerhalb der CDU, die Partei müsse eine Frau auf die Bürgermeisterbank schicken.

Stuttgart - Die Pläne der Stuttgarter CDU-Führung für die Besetzung der freien und ihnen zustehenden Bürgermeisterstelle im Rathaus der Landeshauptstadt kommen durcheinander – zeitlich, aber auch inhaltlich. Der Ruf nach einer Frau wird lauter. Die Parteioberen scheinen aber schon sehr konkret einen Mann im Auge zu haben: den Juristen und Stadtrat Fabian Mayer (35).

 

Zunächst hatten der Kreisvorsitzende Stefan Kaufmann und der Fraktionsvorsitzende Alexander Kotz parteiintern erst am 21. Juli entscheiden wollen – jetzt aber machen sie plötzlich Tempo. Die Sitzung, bei der Kreisvorstand und Gemeinderatsfraktion vom Vorschlagsrecht der CDU Gebrauch machen und ihren Kandidaten benennen, soll nun am 12. Juli stattfinden.

Termin der Kandidatenkür vorgezogen

Wollen Kaufmann und Kotz verhindern, dass sich immer mehr Widerstand gegen ihre Personalpläne formiert? Nachdem parteiintern immer mehr Beobachter darauf getippt hatten, dass die Parteioberen Fabian Mayer ins Rennen schicken wollen, sehen sie sich jetzt jedenfalls zunehmend mit Forderungen nach einer Frau konfrontiert. Der Grund: Würde die CDU einen Mann für den vonSusanne Eisenmann geräumten Platz neben den amtierenden CDU-Bürgermeistern Michael Föll und Martin Schairer nominieren und der Gemeinderat ihn wählen, dann würde in der siebenköpfigen Bürgermeisterrunde künftig allein Isabel Fezer (FDP) die Frauen repräsentieren.

Dagegen stemmt sich jetzt unter anderen der Beirat für Gleichstellungsfragen im Rathaus. Auf Antrag der sachkundigen Bürger hat er einstimmig gefordert, dass es weiterhin zwei Frauen im Bürgermeisteramt geben solle. Die Stadträte und Stadträtinnen im Ausschuss stimmten, was nicht die übliche Praxis im Beirat ist, unisono in diesen Ruf ein.

Mitglieder erinnern an alte Forderungen an die Grünen

Iris Ripsam (CDU), selbst als Interessentin an der Stelle gehandelt, wusste dies im Beirat zu rechtfertigen. Es gehe schließlich um gängige gesellschaftliche Standards und um ein Anliegen, das im neuen Chancengleichheitsgesetz sowie in der Europäischen Charta des Rates der Gemeinden und Regionen Europas über die Gleichstellung von Frauen und Männern enthalten sei, meinte sie. Stuttgart habe die Charta unterstützt.

Fahrt bekommt das Thema auch in der CDU. Der Kreisvorsitzende Kaufmann ist von Mitgliedern damit konfrontiert worden. Auch Karin Maag, die wie Kaufmann dem Bundestag angehört und dort Sprecherin der weiblichen Unionsabgeordneten ist, sei alarmiert, heißt es in Parteikreisen. Kein Wunder: Anfang 2015 hatte sie vehement kritisiert, dass bei den Grünen „von Anfang an ein bestimmter Mann Bürgermeister für Städtebau und Umwelt werden sollte“. In derselben Pressemitteilung hatte Kaufmann eine „grüne Doppelmoral bei der Postenvergabe“ angeprangert. Daran erinnern sich enttäuschte Parteimitglieder jetzt. Außerdem sprechen manche Mitglieder den Parteioberen ein glückliches Händchen bei ihrer Personalpolitik ab – ähnlich wie 2012, als Kaufmann bei der Suche nach einem OB-Kandidaten mit Sebastian Turner einen Kandidaten geholt hatte, der in der CDU und der Bevölkerung polarisierte. Maag unterstützt den Ruf nach einer Frau auch diesmal: „Es würde der CDU gut zu Gesicht stehen, wenn unter ihren drei Vertretern auf der Bürgermeisterbank eine Frau wäre.“ Sie schaue sich um. Man solle auch nicht Iris Ripsam aus dem Auge verlieren.

Für den Fraktionschef ist das Geschlecht nicht vorrangig

Fraktionschef Kotz nennt den Wunsch nach einer Frau „legitim“. Wo die Personallage passe, entscheide sich die CDU wie jüngst bei Bezirksvorsteherposten auch gleich mehrfach für Frauen. In seinen Augen sind jetzt aber Persönlichkeit, Qualifikation, Motivation und Kompetenz wichtiger als das Geschlecht. Was Kaufmann und er am 12. Juli empfehlen werden, stehe aber noch nicht fest. Derzeit werte man besonders noch Vorschläge aus, die von Mitgliedern kamen und oftmals gar nicht mit den Betroffenen abgestimmt gewesen seien. Unter allen Bewerbern seien ungefähr 50 Prozent Frauen. Das Vorziehen des Nominierungstermins gehe „nicht auf politisches Kalkül zurück“, sagte Kotz. Man wolle dafür sorgen, dass die gehandelten Personen schneller aus der Diskussion herauskämen und in ihrem beruflichen Umfeld weniger Nachteile erleiden.

Auch Kaufmann ist vorgeschlagen

Unterdessen gehen die Spekulationen weiter. Sogar Kaufmann selbst wird als möglicher Interessent gehandelt. Als kulturaffiner Jurist wäre er nicht ungeeignet, heißt es, seine Wiederwahl bei der Bundestagswahl 2017 sei unsicher. Kaufmann schließt eine Bewerbung aber klar aus und unterstützt im Übrigen die Haltung von Kotz.