Er galt schon als reformunwillig. Mit seiner Herangehensweise an das Spiel gegen Frankreich hat Joachim Löw das Gegenteil bewiesen. In diese Richtung muss es weitergehen, analysiert unser DFB-Reporter Marco Seliger.

Sport: Marco Seliger (sem)

Paris - Am Ende sprach Joachim Löw am späten Dienstagabend eine eigentlich banale, aber in seinem Fall essenzielle Kernbotschaft aus. Manchmal müsse man nach vorne schauen und die Dinge ändern, sagte der Bundestrainer. Es brauche andere Lösungen, andere Anreize, andere Impulse.

 

Er hatte es also wirklich getan: Löw hatte nach Tagen der Kritik seine Startelf für das Spiel gegen Weltmeister Frankreich tatsächlich auf einigen Positionen geändert und auch die Taktik überarbeitet. Endlich, wollte man da fast sagen am Dienstagabend, der vielleicht so etwas wie den ersten kleinen Schritt in Richtung tatsächlichem Neuanfang des Joachim Löw markieren könnte. Bisher hatte der Bundestrainer ja nach dem WM-Desaster von Russland personell noch nicht mal ein Neunanfängle gewagt. Jetzt, mit einiger Verspätung, war es gegen Frankreich so weit. Und siehe da: Es geht doch – das lässt sich trotz der 1:2-Niederlage in Paris so bilanzieren. Denn die Neuen im Team haben überzeugt, haben geliefert, haben Tempo, Frische und Mut reingebracht ins deutsche Spiel. Und das nach einem Kaltstart – spielten sie bisher doch, wenn überhaupt, nur untergeordnete Rollen.

Das richtige taktische Mittel gegen Frankreich

Ob Löw nun aus purer Verzweiflung nach dem gigantischen öffentlichen Aufschrei im Anschluss an das 0:3 in den Niederlanden oder doch aus später Überzeugung handelte, sei dahingestellt. Fakt ist: Löw bewies endlich Mut, indem er im so richtungsweisenden Spiel einige etablierte Kräfte auf die Bank setzte – und vor allem, indem er Jungs wie Leroy Sané, Serge Gnabry oder Thilo Kehrer eine Chance gab. Auch war es richtig, gegen die individuell überragend besetzten Franzosen in der Abwehr auf eine kompakte Fünferkette zu setzen. Und ebenso richtig ist es, Joshua Kimmich konstant im zentralen defensiven Mittelfeld einzusetzen – die Kampfkraft, das Spielverständnis, die Umsichtigkeit und das Stellungsspiel des Münchners waren schon in den vergangenen Partien eine Freude. All das sind wichtige Bausteine – und führen zu der Erkenntnis, dass dieser Löw die Dinge eben doch richtig anpacken kann, wenn er es denn nur will.

Nur die aktuelle Leistung sollte zählen

Löw hatte ja vor ein paar Wochen in seiner WM-Analyse erst den Reformwilligen gegeben, der sich selbst Arroganz unterstellte. Dann aber fiel er zuletzt in alte Verhaltensmuster zurück. Und war schnell wieder der WM-Löw von 2018: Stur, eigenwillig und scheinbar reformunwillig. Jetzt, in dem Spiel, das viele schon als Endspiel für Löw betrachteten, baute er endlich frisches Personal ein – und nach diesem Grundmuster sollte es auch weitergehen. Denn wer sportlich chronisch kriselt, gehört ohne jede Rücksicht auf vergangene Meriten auf die Bank. Und die Nachrückenden verdienen jede Chance, wenn sie diese dauerhaft mit Leistung in Verein und DFB-Team rechtfertigen. Nach dieser Maxime muss Löw nun in den nächsten beiden Spielen im November zum Jahresabschluss handeln. Damit es doch noch was werden kann mit einem echten Neuanfang.