Exklusiv Der SPD-Fraktionschef im Landtag hat in der grün-roten Koalition eine neue Kontroverse um die Streichung von Lehrerstellen entfacht. Claus Schmiedel will im kommenden Schuljahr lediglich 400 Lehrerstellen streichen. Die Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) reagiert zurückhaltend. Von Zahlen sei nichts bekannt.

Stuttgart - Doro Moritz war positiv überrascht. „Wir begrüßen das ausdrücklich“, so kommentierte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den unerwarteten Vorstoß von Claus Schmiedel in Sachen Lehrerstellen. Bei einem Funktionärstreffen der GEW kündigte Schmiedel an, dass im Schuljahr 2014/15 nicht wie geplant 1200, sondern nur 400 Stellen wegfallen sollten. Der SPD-Fraktionschef rechnete vor, für neue Bedarfe würden im kommenden Schuljahr zwischen 700 und 800 Stellen neu benötigt. „Die werden wir bringen“, versprach Schmiedel den versammelten Lehrern. Allein 200 Stellen würden für zusätzliche Sonderpädagogen benötigt, die die Inklusion behinderter Kinder an den Regelschulen voranbringen sollen. Neue Stellen würden auch für den Ausbau der Ganztagsangebote an Grundschulen benötigt, ebenso für den adäquaten Unterricht von zahlreichen Flüchtlingskindern.

 

Sonderreserve im Haushalt

Schmiedel sagte, 350 Stellen könnten gleich geschaffen werden. Im aktuellen Landeshaushalt ist eine Sonderreserve enthalten, die sich auf 20 Millionen Euro beläuft. Die grün-rote Koalition hat bereits vereinbart, dieses Geld für den Ganztagsbetrieb und die Inklusion zur Verfügung zu stellen. Laut Schmiedel sollen die anderen 400 bis 450 Stellen noch noch vor der Sommerpause durch einen Nachtragshaushalt finanziert werden. Einen Bildungsnachtrag hatte Finanzminister Nils Schmid (SPD) vergangene Woche in der Stuttgarter Zeitung für den Fall angekündigt, dass im Mai auf Bundesebene ein Beschluss gefasst wird, wie die sechs Milliarden Euro verteilt werden, die der Bund den Ländern für die Bildung versprochen hat.

Grüne zurückhaltend

Kultusminister Andreas Stoch lobte die Ankündigung seines Parteifreundes Schmiedel. Die Grünen reagierte zurückhaltend. Staatsministerin Silke Krebs, die auch Mitglied in der Haushalts- und Strukturkommission der Regierung ist, sagte der Stuttgarter Zeitung: „Es ist das gemeinsamen Ziel der Landesregierung, den Ausbau des Ganztagsbetriebs und die Inklusion voranzubringen. Völlig einig sind wir auch darin, dass die Mehrbedarfe im Haushalt abgebildet werden müssen.“ Krebs legte sich aber nicht auf Zahlen fest: „Die Größenordnung muss der Finanzminister bestimmen.“ Zu den von Schmiedel genannten Zahl zusätzlich nötiger Stellen sagte Krebs: „Eine Planung, die besagt, es geht um 700 Stellen, ist mir nicht bekannt.“ Sollte jedoch der Bund Geld für die Bildung geben, ist auch Krebs der Meinung, dass diese Entscheidung sofort in einem Nachtragshaushalt umgesetzt werden sollte, wie es Finanzminister Nils Schmid vorgeschlagen hatte.

Auch Sandra Boser, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, sagte, „wir warten auf ein Finanzierungskonzept von Finanzminister Nils Schmid“. Inklusion und Ganztagsunterricht seien wichtige gesellschaftliche Aufgaben. „Hier gibt es für das kommende Schuljahr unbestritten Mehrbedarf“. An den Bund appellierte Boser, die versprochenen sechs Milliarden „endlich“ freizugeben. „Der Bund darf sich seiner Verantwortung nicht entziehen“, sagte Boser.

Opposition skeptisch

Die Opposition im Land zeigte sich skeptisch angesichts der Ankündigungen Schmiedels. Die FDP erwartet, dass sich die Forderung „als leeres Wahlkampfmanöver“ erweisen werde. Schließlich säßen die Grünen auf dem Beschluss, bis 2020 insgesamt 11 600 Stellen zu streichen, „wie auf einem Schatzkästlein“, kommentierten der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und Timm Kern, der Bildungsexperte der Liberalen. Wäre es Schmiedel ernst, so müsste er die Koalitionsfrage stellen, sagen sie.

Georg Wacker, der bildungspolitische Sprecher der CDU im Landtag, erklärt, „Fraktionschef Schmiedel verteilt wieder einmal Beruhigungspillen“. Grün-Rot komme im Bildungsbereich von allen Seiten unter Druck. Es sei typisch, dass Schmiedel versuche, „die Situation durch nicht abgestimmte Versprechungen zu beruhigen“. Die CDU verlangt von Kultusminister Andreas Stoch „einen klaren Plan, wie es in der Bildungspolitik weitergeht“. Schmiedel habe „nicht nachvollziehbare Zahlen in den Raum geworfen. Das wecke falsche Hoffnungen. Es fehle ein schlüssiges Bedarfskonzept.

Bei dem GEW-Treffen wurde Schmiedels Ankündigung mit Beifall, aber auch mit leisen Zweifeln wegen der unsicheren Finanzierung aufgenommen. Die Gewerkschaft lehnt die angekündigte Streichung der 11 600 Lehrerstellen komplett ab. „Wann wird das Stellenstreichungskonzept endlich aufgegeben“, hatte Doro Moritz schon zu Beginn der Tagung gefragt.

Funktionäre verärgert

Die rund 200 Funktionäre und Vertrauensleute der Bildungsgewerkschaft sind auch mit der Umsetzung diverser Reformen nicht zufrieden. Sie reagierten verärgert darauf, dass neue Ganztagsschulen einen Teil der ihnen zustehenden Lehrerstunden dafür verwenden können, anderes Personal zu bezahlen. Diese Möglichkeit der Monetarisierung eröffne an den Schulen ein Feld für prekäre Beschäftigungen, kritisierten die Pädagogen. Großen Unmut erzeugte unter den Funktionären der Umgang des Ministeriums mit Hauptschullehrern, deren Schulen zugemacht werden.

Dass sie erneut ein Studium aufnehmen und sich danach wie andere Neulinge um Stellen bewerben sollen, trug dem Kultusminister Pfiffe und Buhrufe ein, obwohl er gar nicht anwesend war. Doro Moritz kündigte an. „Wir werden nicht locker lassen, wenn es darum geht, Perspektiven für Hautschullehrer zu entwickeln.“