Die Mehrheit der Stadträte im Stuttgarter Rathaus will gemeinsam mit der Telekom das digitale Breitbandnetz ausbauen und den 5-G-Mobilfunkstandard in der Region einführen. SÖS/Linke und Bürgerinitiativen warnen vor den Risiken.

Stuttgart - Begleitet von Protesten eines Bündnisses aus Umweltverbänden und Mobilfunkskeptikern hat der Gemeinderat am Donnerstagabend der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags mit der Telekom zum Ausbau des Glasfaser-Breitbandnetzes in der Region Stuttgart zugestimmt. Ein Antrag der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus, das digitale Hochgeschwindigkeitsnetz in kommunaler Eigenregie zu erstellen, fand keine Mehrheit im Rat. Auch ein Vorstoß der Grünen, den Ausbau des 5-G-Netzes aus dem Kooperationsabkommen vorläufig auszuklammern und das Thema vorher mit der Bürgerschaft zu diskutieren, wurde bei Stimmengleichheit abgelehnt: Eigentlich wäre die ökosoziale Mehrheit in diesem Punkt gestanden; doch beim Votum waren nicht alle Linken- und SPD-Stadträte im Saal.

 

Proteste von Bürgerinitiativen und Mobilfunkskeptikern vor der Sitzung

Vor Beginn der Debatte hatten etwa drei dutzend Menschen vor dem Rathaus gegen die Kooperation mit der Telekom demonstriert. Sie wandten sich unter anderem gegen den Ausverkauf der kommunalen Daseinsvorsorge, warnten vor den Gefahren des neuen Mobilfunkstandards 5 G und befürchten ein Scheitern der Energiewende durch zu hohen Stromverbrauch in Folge des digitalen Wandels. Zudem protestierten sie dagegen, dass der Inhalt der Papiere von der Telekom als geheim deklariert und nicht öffentlich debattiert werden kann. SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch warf der Verwaltung um OB-Fritz Kuhn (Grüne) vor, den Gemeinderat im Hauruck-Verfahren mit dem Kooperationsabkommen überrumpelt zu haben. Die unkontrollierte Digitalisierung sei ein „Brandbeschleuniger“ für den Klimawandel, zitierte Rockenbauch vor den Demonstranten und in der Ratssitzung aus einem Bericht des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung zu globalen Umweltfragen.

Ex-AfD-Stadtrat beleidigt OB Fritz Kuhn

Gestört wurde er dabei von „Aufhören“-Rufen des BZS-23-Stadtrats Heinrich Fiechtner. Dieser warf OB Kuhn vor, Rockenbauch zu lange reden zu lassen, während der ihm selbst vor einigen Wochen in „mieser faschistoid-populistischer Art“ das Wort entzogen habe. CDU, Freie Wähler und FDP warnten davor, den Ausbau des Netzes zu verzögern, auf das Wirtschaft und Bürger dringend angewiesen seien. Die Grünen sprachen sich ebenfalls für den Ausbau des Netzes aus, wollten aber 5 G zurückstellen. Die SPD plädierte für eine Beteiligung der Stadtwerke am Netzausbau. Kuhn selbst betonte, der rasche Ausbau digitaler Infrastruktur sei ein wichtiger Standortfaktor für die Region: „Das muss jetzt schnell gehen“, Deutschland hinke anderen Nationen hinterher. SÖS/Linke-plus dagegen kritisierten, eine Haltung nach dem FDP-Slogan „Digital first – Bedenken second“ sei gefährlich. Man müsse die Bürgerschaft in die Debatte einbeziehen. CDU-Stadtrat Markus Reimers attestierte der Fraktionsgemeinschaft eine paranoide Haltung und erklärte zudem, die Öffentlichkeit wolle keine weiteren Diskussionen: „Das Bürgerinteresse ist in solchen Fragen überschaubar.“