Am Montag haben Journalisten mit Peter Boudgoust debattiert. Ihr Thema: die geplante Fusion der beiden SWR-Orchester.

Baden-Baden - Eines muss man dem SWR-Intendanten Peter Boudgoust zugestehen: Er versteckt sich nicht. Von Anfang an hat er sich der Diskussion um die Fusion der beiden SWR-Orchester aus Stuttgart und Baden-Baden/Freiburg offen gestellt. Doch wenn damit von seiner Seite vielleicht eine leise Hoffnung verbunden gewesen sein sollte, der Tonfall des zu erwartenden Protests würde sich im zivilisierten Rahmen halten, hat er sich getäuscht.

 

Als „Kulturbarbar“, welcher der „geistigen Verflachung“ Vorschub leiste, wurde er von durchaus prominenter Seite verunglimpft, der Komponist Helmut Lachenmann witterte gar schon „die Verblödung“ des Abendlands. Dass sich Boudgoust von derlei Angriffen verletzt fühlt, merkte man ihm auch bei der von Birgit Wentzien straff geleiteten Podiumsdiskussion an, die er nun zusammen mit dem SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann, der Leiterin der Fernsehkultur im SWR, Martina Zöllner, und den drei Journalisten Gerhard Rohde („Neue Musikzeitung“), Alexander Dick („Badische Zeitung“) und Götz Thieme („Stuttgarter Zeitung“) in Baden-Baden geführt hat und die als Livestream im Internet zu verfolgen war.

Kaputtsparen ist auch keine Alternative

Als „Grobianismus“ bezeichnete Boudgoust gleich zu Beginn diese Ausfälle, anfügend, dass er immer versucht habe, die Diskussion sachlich zu führen. Seit langem ist seine Grundposition klar, und er machte sie gleich zu Beginn noch einmal deutlich: Auch er wolle, so Boudgoust, die Zusammenlegung der Orchester nicht, aber die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im SWR hätten sich nun mal geändert. Einfach weiter zu machen wie bisher, sei deshalb unverantwortlich. Die Alternative zur Fusion sei, die beiden existierenden Orchester zur künstlerischen Bedeutungslosigkeit herunterzusparen.

Der Verlauf der Diskussion brachte kaum neue Argumente, sondern machte eher den Grundsatzkonflikt deutlich, der sich auf die Formel bringen lässt: hier der (nicht in Geld zu beziffernde) Wert der Kunst, da die Sachzwänge eines (gebührenfinanzierten) Senders. Götz Thieme stellte die regionale Struktur des SWR mit Außenstudios und Korrespondentenbüros in Frage, prophezeite für den Fusionsfall künstlerische Verwerfungen und beklagte die akute chronische Unterfinanzierung der SWR-Orchester. Gerhard Rohde grantelte über kunstferne Unternehmensberater, brachte den Kulturbegriff ins Spiel und betonte die nachgeordnete Rolle der Medien, die selbst gar keine Kultur schaffen würden – eine Vorlage, die Boudgoust bereitwillig aufnahm: Auftrag des Rundfunks sei es eben nicht, Kultur zu produzieren, sondern sie zu verbreiten, womit er auch gleich die Gelegenheit erhielt, die Rundfunkorchester überhaupt in Frage zu stellen. Schließlich seien sie einst als Arbeitsorchester gegründet worden, um den Mangel an geeigneten Schallaufzeichnungen auszugleichen, eine Situation, die sich mittlerweile völlig geändert habe.

Gleichwohl, so der SWR-Intendant, fühle er sich dem Erbe der Orchestertradition verpflichtet. Alexander Dicks Verweis auf den geringen Anteil der Orchesterausgaben im Vergleich zum Gesamtetat setzte Boudgoust entgegen, dass 80 Prozent des Senderetats feste Ausgaben seien und nur 200 Millionen im Jahr als freie Programmmittel tatsächlich zur Verfügung stünden. Von Zuhörerseite wurde gefragt, warum man denn statt bei der Kultur nicht am Sport spare – und Dicks Hinweis auf ein buntes SWR-3-Heft mit Grillwerbung zielte in dieselbe Richtung. Martina Zöllner schließlich betonte den „Schutzwert der Kultur“ und räumte selbstkritisch ein, dass die Hochkultur im Fernsehen vielleicht doch ein bisschen unterrepräsentiert sei. Man müsse den Menschen zeigen, dass „Kultur Spaß macht“.

Kultur als Spaßmacher: das ist dann aber vielleicht doch ein grundsätzliches Missverständnis.