Wer Bürgergeld bezieht, hat bestimmte Mitwirkungspflichten. Bei Verstößen drohen Kürzungen. Wie hoch diese sind und was Betroffene bei unrechtmäßigen Minderungen machen können. Ein Überblick.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Was früher Hartz IV war, ist heute das Bürgergeld. Anspruch auf diese staatliche Leistung haben alle, die erwerbsfähig sind und ihren Lebensunterhalt mit dem eigenen Einkommen nicht finanzieren können. Das Bürgergeld ist eine Grundsicherung für Arbeitssuchende.

 

Doch um den ihnen zustehenden Betrag ausgezahlt zu bekommen, müssen sie einige Dinge tun. Unterlassen Berechtigte dies, müssen sie mit Sanktionen rechnen: Das Geld wird gekürzt. Fragen und Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Bürgergeld:

Welche Einschränkungen fordert der Landkreistag beim Bürgergeld?

  • Wegfall der Karenzzeit: Der Deutsche Landkreistag fordert strengere Regeln für das Bürgergeld. Einem Beschlusspapier zufolge soll die bestehende Karenzzeit – also die Wartezeit oder Sperrfrist – für Vermögen, das für den Lebensunterhalt verwendet werden kann, gestrichen werden. Aktuell gilt, dass im ersten Jahr des Bezugs Beträge bis zu 40 000 Euro behalten werden dürfen. Diese Regelung lasse sich „mit Sinn und Zweck einer steuerfinanzierten Sicherung des Existenzminimums nicht vereinbaren“, heißt es seitens des Landkreistags.
  • Geringerer Grundfreibetrag: Die Landkreise halten es zudem für angebracht, den Grundfreibetrag für Vermögen in Höhe von 15 000 Euro pro Person zu reduzieren. Auch die Wohnbestimmungen für die knapp vier Millionen erwerbsfähigen Bürgergeldbeziehenden sollen demnach verschärft werden: „Im ersten Jahr des Leistungsbezuges auf eine Prüfung der Angemessenheit der Miete zu verzichten, führt zu Fehlanreizen.“
  • Strengere Sanktionen: Der Landkreistag plädiert dem Bericht zufolge außerdem für strengere Sanktionen. „Wer ohne wichtigen Grund nicht zur Annahme zumutbarer und existenzsichernder Arbeit bereit ist, sollte keinen Leistungsanspruch haben.“ Gekürzt werden soll das Bürgergeld bereits dann, wenn jemand der ersten Einladung zum Termin im Jobcenter „ohne wichtigen Grund“ nicht folgt.
Die Union will das von der Ampelregierung 2023 als Hartz-IV-Nachfolger eingeführte Bürgergeld nach der Bundestagswahl 2025 mit einem eigenen Konzept ablösen. Foto: dpa/Michael Kappeler

Der CDU-Vorstand hatte kürzlich ein Konzept vorgestellt, das eine deutliche Verschärfung der Regeln für den Bezug staatlicher Zahlungen an Arbeitslose vorsieht. Die Gelder sollen demnach künftig im Extremfall ganz gestoppt werden können, wenn sich Empfänger einer zumutbaren Arbeit verweigern. Außerdem soll das Schonvermögen herabgesetzt sowie die jährliche Erhöhung der Zahlungen begrenzt werden.

Wer bekommt Bürgergeld?

  • Existenzsicherung: Bürgergeld bekommt, wer zwar mindestens drei Stunden pro Tag arbeiten, seinen Lebensunterhalt mit den eigenen Einkünften aber trotzdem nicht bestreiten kann, weil er damit unter dem Existenzminimum bleibt. Weitere Voraussetzungen: Der Empfänger ist mindestens 15 Jahre alt und hat die Regelaltersgrenze für die Rente noch nicht erreicht. Zudem lebt er in Deutschland.
  • Karenzzeit: Ferner spielt das eigene Vermögen eine Rolle. Überschreitet es gewisse Grenzen, gibt es so lange kein Bürgergeld, bis das Geld unter diese Grenzen geschrumpft ist. Im ersten Bezugsjahr, der sogenannten Karenzzeit, liegt die Grenze für alleinstehende Antragsteller bei 40 000 Euro. Leben weitere Personen, zum Beispiel Lebenspartner oder Kinder, im Haushalt, dürfen diese zusätzlich je 15 000 Euro besitzen. Nach dem Ablauf der Karenzzeit sinkt der Freibetrag auch für Antragsteller auf 15 000 Euro. Zum Vermögen zählen sämtliche verwertbare Gegenstände – etwa Bargeld, Fahrzeuge, Schmuck, Kapitallebensversicherungen oder Immobilieneigentum.
In einem Jobcenter liegt ein Antrag auf Bürgergeld und dazu passende Ausfüllhinweise. Foto: dpa/Jens Kalaene

Wie hoch sind die Bürgergeld-Leistungen?

  • Alleinstehende/Alleinerziehende (Regelbedarfstufe 1): seit 1. Januar 2023: 502 Euro / seit 1. Januar 2024: 563 Euro
  • Paare je Partner/Bedarfsgemeinschaften (Regelbedarfstufe 2): seit 1. Januar 2023: 502 451 Euro / seit 1. Januar 2024: 506 Euro
  • Volljährige in Einrichtungen (Regelbedarfstufe 3): seit 1. Januar 2023: 502 402 Euro / seit 1. Januar 2024: 451 Euro
  • Jugendliche von 14-17 Jahre (Regelbedarfstufe 4): seit 1. Januar 2023: 420 Euro / seit 1. Januar 2024: 471 Euro
  • Kinder von 6-13 Jahre (Regelbedarfstufe 5):seit 1. Januar 2023: 348 Euro / seit 1. Januar 2024: 390 Euro
  • Kinder von 0-5 Jahre (Regelbedarfstufe 6): seit 1. Januar 2023: 318 Euro / seit 1. Januar 2024: 357 Euro
  • Außerdem übernimmt das Jobcenter die Kosten für Miete und Heizung in angemessener Höhe.

Wer hat Anspruch auf Bürgergeld?

Das Bürgergeld-Gesetz sieht vor, dass der Anspruch auf Bürgergeld besteht:

  • bei Bedürftigkeit
  • bei grundsätzlicher Erwerbsfähigkeit
  • oft im Anschluss an Leistungen auf das Arbeitslosengeld I
  • Wer bisher Anspruch auf Arbeitslosengeld II hatte, hat auch einen Anspruch auf Bürgergeld. Dafür müssen keine neuen Anträge gestellt werden. Infrage kommt das Bürgergeld auch für Menschen, deren Arbeitseinkommen nicht zum Lebensunterhalt reicht.
Eine Frau tippt auf einem Tablet auf einen Link zum Beantragen des Bürgergeldes im Kundenbereich im Jobcenter Berlin Mitte. Foto: dpa/Carsten Koall

Aus welchen Gründen kann das Bürgergeld gekürzt werden?

  • Pflichtverletzungen/Meldeversäumnisse: „Leistungsminderungen gibt es beim Bürgergeld bei Pflichtverletzungen und bei Meldeversäumnissen“, sagt Irmgard Pirkl von der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Eine Pflichtverletzung liegt zum Beispiel vor, wenn Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger Aufforderungen zu den im Kooperationsplan getroffenen Absprachen oder erforderlichen Mitwirkungshandlungen nicht nachkommen.
  • Arbeit abgelehnt: Gleiches gilt, wenn sie sich weigern, eine ihnen angebotene zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder das Zustandekommen durch ihr Verhalten verhindern. Auch wenn sie eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch geben, müssen Bürgergeld-Bezieher mit Kürzungen rechnen.
  • Termin verpasst: Eine Minderung droht auch dann, wenn leistungsberechtigte Personen einer Aufforderung, sich bei ihrem Jobcenter persönlich zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommen.
Bei einem ersten Pflichtverstoß – etwa wenn der Bezieher oder die Bezieherin der Aufforderung für Absprachen nicht nachkommt – droht eine Kürzung von 10 Prozent des Regelsatzes für einen Monat. Foto: dpa/Jens Kalaene

Um wie viel und wie lange kann gekürzt werden?

  • Komplettstreichung: Nach einem aktuellen Beschluss des Gesetzgebers kann denjenigen, die eine zumutbare Arbeit dauerhaft ablehnen, das komplette Bürgergeld für bis zu zwei Monate gestrichen werden. Das bedeutet: Das Jobcenter setzt die Zahlung des Regelsatzes aus.
  • Prozentuale Kürzungen: Bei einem ersten Pflichtverstoß – etwa wenn der Bezieher oder die Bezieherin der Aufforderung für Absprachen nicht nachkommt – droht eine Kürzung von 10 Prozent des Regelsatzes für einen Monat. Beim zweiten Pflichtverstoß innerhalb eines Jahres nach der letzten Minderung sind 20 Prozent für zwei Monate drin. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung kann das Bürgergeld für drei Monate um 30 Prozent gekürzt werden. Bei Meldeversäumnissen liegt die Leistungsminderung bei 10 Prozent des Regelbedarfs für einen Monat.
  • Miete/Heizung: Für ämtliche Kürzungen gilt: Die Zahlungen von Miete und Heizung bleiben davon unberührt. Eine Minderung erfolgt zeitnah im Monat nach dem Minderungsbescheid. Wenn jemand etwa am 10. Juni schriftlich von der Minderung erfahren hat, gibt es ab dem 1. Juli nur noch den gekürzten Satz.
  • Sanktionsquote: Die Sanktionsquote ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken. „Die Jobcenter machen also mitnichten in der Masse von Leistungsminderungen Gebrauch“, betont Irmgard Pirkl.

Wie wird man die Sanktionen wieder los?

Nach Ablauf des Minderungszeitraums von ein bis drei Monaten wird die Sanktionierung automatisch aufgehoben. „Sofern keine neue Sanktion verhängt wird, ist der ungekürzte Leistungsanspruch wieder auszuzahlen“, erklärt Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD).

Was können Betroffene bei einer Kürzung tun?

  • Anhörung: Bevor das Jobcenter eine Sanktion verhängt, sind die Betroffenen anzuhören. Dabei können sie darlegen, warum die Sanktion ungerechtfertigt ist. „Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn man einen Termin beim Arbeitsvermittler wegen eines Notfalls versäumt oder wenn man eine Beschäftigung wegen Mobbings gekündigt hat“, so Engelmeier.
  • Begründung: Die vorgetragenen Gründe sind vom Jobcenter zu prüfen. Liegt ein wichtiger Grund oder eine außergewöhnliche Härte vor, entfällt die Leistungsminderung vollständig. Das heißt, das Bürgergeld wird dann nicht gekürzt.
  • Widerspruch: Sollte eine Sanktion zu Unrecht verhängt worden sein, können Betroffene Widerspruch einlegen – mit der Option einer anschließenden Klage vor dem Sozialgericht. Beide Verfahren sind in der Regel kostenfrei. Betroffene können sich dafür beraten lassen. Eine Anlaufstelle kann etwa der SoVD sein.