Die Kostenexplosion bei der Residenz des Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst hat die Debatte über die Kirchenfinanzen wiederaufleben lassen. In der Kritik steht vor allem das Vermögen des Bischöflichen Stuhls – zu dem Limburg bis heute schweigt.
Stuttgart - Selbst Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der im Zentralkomitees der Deutschen Katholiken sitzt, hat die Geduld verloren. Er wünsche sich, dass der Limburger Bischof FranzPeter Tebartz-van Elst zurücktritt, erklärte der Grüne jetzt. Entscheidender für die Zukunft des Bischofs wird aber das Machtwort des Papstes sein. Tebartz- van Elst hält sich derzeit in Rom auf, um mit Franziskus zu sprechen. Der 53-Jährige steht wegen der enormen Kosten für den Neubau seiner Residenz unter Druck. Die Frage, ob sich die Kirche diesen Prunk moralisch leisten darf, haben viele Gläubige mit Protestaustritten beantwortet. Aber was leistet die katholische Kirche in Deutschland rein finanziell – und was kann sie sich leisten? Eine Bilanz.Wer die Verantwortlichen der Kirche nach dem Reichtum ihrer Glaubensgemeinschaften fragt, ist von der Antwort meist enttäuscht. Den Besitz könne man nicht konkret beziffern, heißt es dann. Denn einerseits seien an sich unermesslich wertvolle Gegenstände in ihrer Hand. Andererseits ließen sich meist eben weder die Grundstücke, auf denen alte und oft denkmalgeschützte Kirchen in bester Citylage stehen, einfach verscherbeln noch die zahllosen Kunstwerke und Reliquien veräußern. Der materielle Wert sei insofern eher theoretischer Natur. „Ich weiß schlicht nicht, wie reich die Kirche ist“, sagt der Generalvikar der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Clemens Stroppel.
Was sind die Besitztümer der Kirche wert?
Kirchenkritiker wie Carsten Frerk lassen sich von solchen Bedenken freilich nicht bremsen. Der Politologe behauptet, allein das Geldvermögen der beiden großen Konfessionen summiere sich auf 150 Milliarden Euro. Dazu komme noch der Grundbesitz. Stroppel weist aber darauf hin, dass Anlagen der Kirchen oft mit Forderungen in der Zukunft verrechnet werden müssen, etwa wenn eine Rücklage die Pensionen der Geistlichen absichern soll. Den Löwenanteil macht hier mit weitem Abstand die Kirchensteuer aus, die sich im vergangenen Jahr für Protestanten und Katholiken auf insgesamt rund zehn Milliarden Euro belief. Dazu addieren sich die Erträge aus Anlagen und Beteiligungen, die Staatsleistungen, Spenden, Stiftungen, Pacht- und Mieteinnahmen sowie Zuschüsse. Eine Gesamtbilanz fehlt freilich, weil die Bistümer und Orden rechtlich selbstständig und die Pfarreien finanziell eigenständig sind.
Wie hoch sind die Einnahmen der Kirche?
Oft wird in diesem Zusammenhang bemängelt, dass die Geistlichkeit an Unternehmen verdiene. Dem Bistum Rottenburg-Stuttgart gehören zum Beispiel 75 Prozent des Siedlungswerks Stuttgart. Außerdem hält die Diözese Anteile an einer kirchlichen Filmgesellschaft und ist Aktionär des Schwabenverlages. Doch Dividenden schütten diese beiden Unternehmen momentan nicht aus.Das meiste Geld gibt die Kirche für ihr Personal aus. Im Bistum Rottenburg-Stuttgart etwa gehen 63 Prozent des rund 325 Millionen Euro umfassenden Diözesanhaushaltes an die Mitarbeiter in der Seelsorge und in der Verwaltung. Mit weiteren 18,3 Prozent der Mittel werden Caritas, Verbände und Beratungsdienste unterstützt. Investitionen etwa für Gebäude machen nur 6,3 Prozent aus, dazu kommen die Sachkosten. In allen katholischen Diözesen schlägt somit die Gemeindearbeit am stärksten zu Buche. Der zweite große Posten sind die sozialen Dienste und Kindergärten, die allerdings oft von den Pfarreien direkt unterstützt werden. Für Bildung und Kultur, Mission und Entwicklungshilfe wird ebenfalls Geld ausgegeben.Dass die Kirche regelmäßig – und unabhängig von irgendwelchen Leistungen – Geld vom Staat bekommt, erscheint unzeitgemäß in der vom Grundsatz her religionsneutralen Bundesrepublik. Und an sich schreibt die Verfassung schon seit der Weimarer Republik vor, dieser Praxis ein Ende zu machen. Doch bisher hat die Politik nicht die Kraft gefunden, den Verfassungsauftrag zu erfüllen. Die sogenannten positiven Staatsleistungen an die Kirchen sind ein geschichtliches Erbe. Sie sollen die Religionsgemeinschaften für ihre Enteignungen im Zuge der Säkularisation entschädigen. Theoretisch erhalten die Kirchen so die Einnahmen, die sie erzielen könnten, hätten sie ihr ursprüngliches Vermögen, ihren ursprünglichen Grundbesitz noch, der ihnen Anfang des 19. Jahrhunderts genommen wurde.
Welche Ausgaben hat die Kirche?
Warum bekommt die Kirche Leistungen vom Staat?
Baden-Württemberg hat einen Staatskirchenvertrag
Zum Teil regeln Staatskirchenverträge Konkreteres. In Baden-Württemberg etwa wurde 2008 ein solcher Vertrag geschlossen. Das Bistum Rottenburg-Stuttgart bekam demnach 2011 eine pauschale Zahlung von 27 Millionen Euro. Die Summe erhöht sich analog zur Entwicklung der Beamtenbesoldung. Denn mit dem Geld soll vor allem geistliches Personal bezahlt werden. Das System dieser Zahlungen steht unter Beschuss. Deshalb zeigen sich die Kirchen offen für eine Ablösung. Freilich pochen sie darauf, dann eine so große Summe zu bekommen, dass deren Zinserträge quasi die regelmäßigen Einnahmen ersetzen.
Baden-Württemberg müsste dann für die beiden katholischen Bistümer und die zwei evangelischen Landeskirchen rund zwei Milliarden Euro aufbringen. Angesichts des Sparzwangs in den öffentlichen Haushalten scheint diese Reform unwahrscheinlich. Neben diesen Staatsleistungen erhalten die Kirchen noch Staatsgelder für ihre soziale Arbeit, für die Erhaltung von Gebäuden und Ausgleichszahlungen für kirchliche Religionslehrer.Wie alle Körperschaften des öffentlichen Rechts sind die Kirchen von der Körperschafts- und der Gewerbesteuer befreit. Das gilt aber nicht für gewinnorientierte Unternehmen. Das Siedlungswerk Stuttgart etwa zahlt natürlich Gewerbesteuer. Es gibt auch Vergünstigungen beim Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht.
Welche Steuerprivilegien genießt die Kirche?
Stärker ins Gewicht fällt ohnehin ein anderes Privileg: Die Kirchensteuer kann als Sonderausgabe von der Steuer abgesetzt werden. Das entlastet die Kirchensteuerzahler um fast drei Milliarden Euro jährlich, was auch eine indirekte Subvention der Glaubensgemeinschaften ist. Allerdings weisen die Kirchen darauf hin, dass sie hier nur in einer Reihe stehen mit anderen Institutionen und Vereinen, die der Staat als förderwürdig betrachtet.Tebartz-van Elst soll die Kosten für seinen überteuerten Amtssitz zumindest zum Teil aus Mitteln des sogenannten Bischöflichen Stuhls gedeckt und so verheimlicht haben. Denn was dieser Topf enthält, blieb der Öffentlichkeit bisher verborgen. Nur ein kleines Gremium hat in der Regel Einblick in die Kasse der eigenen juristischen Person, die der Bischöfliche Stuhl eben rechtlich darstellt. Dabei ist das hier versammelte Vermögen je nach Diözese sehr unterschiedlich. Ursprünglich solle es den Unterhalt des Bischofs sichern.
Über welche Summen verfügt der Bischöfliche Stuhl?
Ältere Bistümer sind tendenziell besser ausgestattet als jüngere wie Limburg oder Rottenburg-Stuttgart, die weniger Zeit hatten, Besitz anzusammeln. In Rottenburg gehören zum Bischöflichen Stuhl Immobilien wie die Konviktskirche in Ehingen, das Diözesanmuseum oder das Bischofshaus in Rottenburg. Der Etat beläuft sich jährlich auf rund acht Millionen Euro. Das ist eine im Vergleich zum Diözesanhaushalt sehr geringe Summe. Wie hoch das Vermögen dieser Kasse insgesamt ist, kann Generalvikar Stroppel nicht sagen. Noch fehle es an einer realistischen Bewertung von Immobilien oder Kunstwerken. Allerdings verspricht der oberste Ökonom des Bistums zukünftig volle Transparenz: Schon nächstes Jahr will er einen Jahresabschluss veröffentlichen, um Mutmaßungen über Verschwendung den Boden zu entziehen. „Der öffentliche Druck zwingt uns dazu“, sagt er.
Manche Bistümer reagieren auf die Kritik
Auch andernorts reagiert man auf die Kritik am Schweigen der Kirche in diesem Bereich. Nach den Bistümern Essen und Münster hat jetzt auch Speyer die Finanzen des Bischöflichen Stuhls preisgegeben. Aktuell habe er ein Vermögen von rund 46,5 Millionen Euro, hieß es. In Essen und Münster werden 2,2 beziehungsweise 2,37 Millionen Euro genannt. Das in der Kritik stehende Bistum Limburg schweigt dagegen bis heute darüber, wie groß das Vermögen des Bischöflichen Stuhls inzwischen ist. Es hat auch keine Transparenz angekündigt. Über die Verwendung der Kirchensteuern kann ein katholischer Bischof nicht alleine entscheiden. Vielmehr wachen darüber in der Regel Gremien, in denen gewählte Vertreter in der Mehrheit sind. Im Bistum Rottenburg etwa stimmt der 120-köpfige Diözesanrat in öffentlicher Sitzung über den Haushalt ab. Transparenz und Kontrolle sind so gewährleistet. Anders liegen die Dinge freilich beim Bischöflichen Stuhl. In Rottenburg wacht über dessen Etat bislang ein siebenköpfiger Verwaltungsrat, der hinter verschlossenen Türen tagt. Allerdings gehören ihm auch Externe wie ein Ex-Landtagsabgeordneter an. Auch in Limburg muss ein Vermögensverwaltungsrat den Ausgaben des Bischöflichen Stuhls zustimmen. Die Mitglieder des 2010 gegründeten Gremiums gaben aber an, von Tebartz-van Elst „hinters Licht geführt“ worden zu sein.Dass deutsche Bischofsgehälter überhaupt aus der Staatskasse bezahlt werden konnten, war ebenfalls eine Form der Entschädigung nach der Säkularisierung. Die Regelungen in den Ländern sind unterschiedlich. Da es in Baden-Württemberg eine pauschale Summe für die Kirchen gibt, wird etwa das Gehalt der Priester, aber auch des Rottenburger Bischofs Gebhard Fürst nicht direkt aus dem Landesetat finanziert. Seine Besoldung orientiert sich an der von Spitzenbeamten. Er bekommt wie ein politischer Staatssekretär im Südwesten monatlich rund 9000 Euro. Damit liegt Fürst hinter einigen Amtsbrüdern, an die bis zu 11 000 Euro gezahlt werden. Auch anderen Luxus gönnt er sich nicht. In seinem Rottenburger Domizil gibt es keine Badewanne – und erst recht keine frei stehende wie in Limburg.
Welche Kontrollinstanzen wachen über das Geld?
Wer bezahlt das Gehalt von Geistlichen?