Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will nun eine Debatte über eine Widerspruchslösung bei Organspenden anstoßen. Hier die Fragen und Antworten.

Leipzig - Niere, Leber oder Herz: Mehr als zehntausend Menschen in Deutschland brauchen ein lebensrettendes Spenderorgan. Sie warten oft jahrelang - viele vergeblich. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will nun eine Debatte über eine Widerspruchslösung bei Organspenden anstoßen. Fragen und Antworten:

 

Wie viele Menschen warten auf ein Spenderorgan?

Bundesweit stehen nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) etwa zehntausend schwer kranke Menschen auf der Warteliste. Täglich sterben im Schnitt drei davon, weil nicht rechtzeitig ein passendes Organ zur Verfügung steht. Allein 8000 Menschen brauchen eine neue Niere. Das sind etwa viermal so viele, wie derzeit Transplantate vermittelt werden können. 2017 sanken die Organspendezahlen auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren.

Wo wird die Spendenbereitschaft dokumentiert?

Das passiert im Organspendeausweis. Nach einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben 36 Prozent der Deutschen solch ein Dokument.

Welche Organe können gespendet werden?

Das sind Niere, Leber, Herz, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm. Außerdem lassen sich Gewebe wie zum Beispiel Hornhaut oder Knochen verpflanzen. Im Spenderausweis können aber auch einzelne Organe ausgeschlossen werden.

Wie viele Spender gibt es?

Als 2012 bekannt wurde, dass Ärzte an mehreren deutschen Universitätskliniken offenbar Patientendaten manipulierten und so die Vergabe von Spenderlebern beeinflussten, brachen die Spenderzahlen massiv ein. 2017 wurden 797 Verstorbenen Organe entnommen, im Vorjahr waren es noch 857. Die Zahl der gespendeten und der europäischen Vermittlungsstelle Eurotransplant gemeldeten Organe sank auf 2594.

Was sind die Gründe für den Rückgang?

Das liegt nicht unbedingt an einer abnehmenden Spendebereitschaft der Bevölkerung. 84 Prozent stehen der Organspende positiv gegenüber. Die Experten sehen aber strukturelle und organisatorische Schwachstellen in den Kliniken. So gab es von dort weniger Meldungen von möglichen Organspendern. Auch die Vergütung ist ein Hemmnis, Spahn will an dieser Stelle nachbessern. Eine Organspende kann aber auch durch unklare Formulierungen in Patientenverfügungen verhindert werden.

Welche Voraussetzungen gelten für eine Organspende?

Der Verstorbene muss entweder zu Lebzeiten in die Organspende einwilligen, oder seine Angehörigen stimmen zu. Zudem muss der Hirntod von zwei Ärzten unabhängig voneinander festgestellt werden. Infrage kommen nur jene Menschen, bei denen der Hirntod vor dem Herzstillstand eintritt. Bei den meisten tritt zuerst ein Herzstillstand ein, weshalb nur wenige Verstorbene überhaupt für die Organspende in Betracht kommen. Durch künstliche Beatmung wird der Kreislauf aufrecht erhalten, so dass Organe und Gewebe weiter durchblutet werden.

Können auch ältere Menschen spenden?

Sofern die Organe gesund und bestimmte Infektionskrankheiten ausgeschlossen sind, können sie dies tun. Es gibt immer mehr Organspender über 65 Jahre. Da aber die Wahrscheinlichkeit für Begleiterkrankungen steigt, sind bei älteren Spendern häufig weniger Organe für eine Transplantation geeignet.

Was sind die größten Ängste?

Viele Menschen scheuen sich schlichtweg vor der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod. Andere hält die diffuse Angst vor möglichem Missbrauch oder Organhandel ab - oder sie fürchten, dass im Ernstfall nicht mehr alles medizinisch Notwendige für sie getan wird. Für Laien ist vor allem der Hirntod als Voraussetzung für die Organentnahme oft schwer nachvollziehbar, weil der Verstorbene zumeist keines der allgemein bekannten Todeszeichen aufweist. Mit Hilfe von Maschinen und Medikamenten schlägt sein Herz, und er scheint noch selbst zu atmen.

Gibt es einen Entscheidungszwang?

Nein, in Deutschland gilt die sogenannte Entscheidungslösung. Jeder über 16 Jahre wird von seiner Krankenkasse aufgefordert, eine freiwillige Erklärung über seine Organspendenbereitschaft abzugeben. Forderungen auch aus der Ärzteschaft nach einer Widerspruchslösung stoßen inzwischen auch bei Spahn, der dies vor kurzem noch ablehnte, auf offene Ohren. Nach dieser Regelung wird eine Zustimmung zur Organspende vorausgesetzt, wenn ein Mensch dem zu Lebzeiten nicht aktiv widerspricht.