Bei der ersten Debatte nach der Sommerpause diskutieren die OB-Kandidaten vor allem über ein Thema: den neuen Bahnhof für Stuttgart 21 und seine Folgen.

Stuttgart - Das dürfte für die Veranstalter von Podiumsdiskussionen mit den Stuttgarter Oberbürgermeisterkandidaten von nicht unerheblichem Interesse sein: Der Bürgerverein Heumaden hat die Resonanz auf die Einladung zum ersten Aufeinandertreffen der vier aussichtsreichsten Bewerber am Montagabend im Theatersaal der Seniorenresidenz Augustinum stark unterschätzt. Allem Gerede von der Politikverdrossenheit zum Trotz gab es für die rund 300 Sitzplätze mehr als doppelt so viele Interessenten. Da Stehplätze aus „feuerpolitischer“ Sicht, wie ein Verantwortlicher behauptete, nicht genehmigt worden waren, mussten sich jene uninformiert nach Hause begeben, die nicht einmal im Foyer einen der eilig organisierten Stühle ergattern konnten.

 

Dem Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 sowie dem Verein der Befürworter sei gesagt, sie schwächen ihre Veranstaltungen in den nächsten Tagen, weil sie sie ohne die Vertreter der Gegenmeinung abhalten. Der K-21-Frontmann Hannes Rockenbauch und der einzige eindeutige Projektbefürworter, CDU-Vertreter Sebastian Turner, verleihen dem Thema erst die nötige Würze. Das würde Gunther H. Fahrion sicher unterschreiben. Der ehemalige städtische Mitarbeiter erboste sich in der ersten Sitzreihe derart über die provokativen S-21-Thesen des „Streithannes“, dass sich der Grünen-Kandidat Fritz Kuhn sogar um Fahrions Gesundheit sorgte.

Stuttgart 21 ist das beherrschende Thema

Die von der Moderatorin Edda Markeli im Augustinum aufgestellte These, es gehe im Wahlkampf kaum mehr um Stuttgart 21, erwies sich im Verlauf des Abends als kühn. Das wichtige Stuttgarter Zukunftsthema, der Betrieb von Stadtwerken, spielte vor dem Hintergrund der unsicheren Zukunft hinterm Bahnhof bei der Veranstaltung eine eher untergeordnete Rolle. Und lokale Fragen wie jene, ob Sillenbuch ein Bürgerhaus bekommen soll und genügend Nutzungszeiten in der Sporthalle, waren vor allem deshalb interessant, weil die Antworten auf das Amtsverständnis der Bewerber schließen ließen. Turner sagte, er würde – ungeachtet der enormen Kosten – das Bürgerhaus bauen, schon weil es dem verstorbenen CDU-Stadtrat Dieter Wahl ein Anliegen gewesen sei. Bettina Wilhelm ist grundsätzlich für Bürgerhäuser in allen Stadtbezirken, während Rockenbauch und Kuhn deutlich machten, dass sie bei ihrer Tour durch die Stadtbezirke nicht daran dächten, jedem Wohltaten zu versprechen, die der Gemeinderat als verantwortliches Gremium nicht erfüllen könne und auch nicht wolle.

Also doch Wahlkampf mit und über S 21: Nach der Volksabstimmung sind zwar nicht mehr die fehlende Leistungsfähigkeit und die Kosten die Streitthemen. Stattdessen geht es um die qualifizierte Begleitung des Projekts. Die Aussagen der Bewerber, der Beifall des Publikums und deren Missfallensäußerungen lassen darauf schließen, dass sich die Qualität des nächsten OB vor allem daran ablesen lässt, wie er den Bauherren Bahn an die Kandare zu nehmen gedenkt.

Kuhn hält Bahn für unehrlich

Was Sebastian Turner gar nicht glauben kann: Dass Stuttgart-21-Gegner wie Kuhn oder der SÖS-Stadtrat Rockenbauch als Stadtoberhaupt die das Projekt betreffenden Themen wie Grundwasserschutz und Kostenklarheit so engagiert und gleichzeitig so kompromisslos mit der Bahn verhandeln könnten „wie ein mittelständischer Unternehmer“.

Für Kuhn ist das Gegenteil richtig: Als Kritiker des Projekts laufe er nicht Gefahr, der Bahn auf den Leim zu gehen. Er hält den Konzern für unehrlich, und man muss kein Prophet sein, dass der S-21-Sprecher Dietrich Geschichte sein wird, sollte der Grüne die Wahl gewinnen und in den Lenkungskreis einziehen. Er bezeichnete Dietrichs Kommunikationseinheit am Montag sogar als „Desinformationsbüro“.