Die Stuttgarter Band Antiheld besingt in der radiotauglichen Single zu ihrem Debütalbum unter anderem das Restaurant Alaturka. Zur Veröffentlichung erzählt der Sänger, warum er nicht weg will aus Stuttgart - und warum Konzerte auf dem Schlossplatz so wichtig sind.

Stuttgart - Stuttgarter Erfolgsgeschichten gab es in den letzten Jahren viele. Cro, Die Nerven, Heisskalt, Schmutzki und andere zeigen, was so alles geht in dieser Stadt. Und beeinflussen andere junge Musiker im Kessel.

 

Antiheld beispielsweise. 2014 gewannen sie den Nachwuchswettbewerb Play Live, machten damals aber eben nur mit, weil es frühere Vorbilder wie Heisskalt oder Schmutzki auch getan haben. Unzählige Straßenkonzerte und manch glückliche Fügung später veröffentlichen Antiheld am Freitag ihr erstes Album „Keine Legenden“. Und haben das Zeug zum nächsten großen Ding aus Stuttgart.

Unter Vertrag beim Label-Giganten Starwatch (gehört zu ProSieben/Sat. 1) und gestärkt von einer gigantischen Marketingkampagne – da könnte richtig was passieren. Die Musik zumindest hat das Zeug dazu: Äußerst eingängiger, um nicht zu sagen: radiotauglicher Deutschpop, authentisch vorgetragen, mit Texten, die keinen Hehl daraus machen, dass der Kessel der Lebensmittelpunkt ist. Was das für ungeahnte Vorteile bringt, erzählt uns Sänger Luca Opifanti bei einem Treffen im Galao.

Wie wichtig ist euch, als Stuttgarter Band wahrgenommen zu werden?

Super wichtig! Wir sind Lokalpatrioten, lieben die Stadt über alles. Ich bin zwar in Nürtingen aufgewachsen, war aber schon früher gefühlt immer in Stuttgart. Mein Traum als kleiner Junge war es übrigens auch, später mal nach Stuttgart zu ziehen – und eben nicht nach Hamburg oder Berlin. Darauf hatte ich nie Bock. Wir sind sehr viel auf Tour und lernen ständig schöne neue Städte kennen. Dennoch ist es immer wieder besonders, wenn wir wieder in unseren stinkenden Kessel reinfahren. Ein neuer Song, den ich erst kürzlich geschrieben habe, heißt „Stuggi“, mit folgendem Refrain: „Du hast nicht so viel Sex wie Amsterdam, nicht so viel Amore wie Bologna, du hast kein Berghain wie Berlin, aber dafür sind auch wir da.“ Damit ist alles gesagt.

Vor einigen Jahren habt ihr ja schon mal mit eurem Liebeslied auf den Keller Klub auf euch aufmerksam gemacht, Dürft ihr nach dieser Hymne auf dem Club eigentlich umsonst trinken dort?

Na ja, eine Zeitlang wurden wir gerne und häufig auf die Gästeliste geschrieben, auch wenn der Laden schon voll war. In letzter Zeit hatten wir aber einfach kaum noch Zeit, wegzugehen. Dafür bekommen wir seit unseren neuen Single „Berlin am Meer“ umsonst Döner beim Alaturka! Im Song heißt es: „Herr Alaturka von der Bude gegenüber verkauft den letzten Döner und wirft uns die Reste rüber.“ Ist auch nicht verkehrt.

Sind Antiheld in der heutigen Form nur in Stuttgart möglich gewesen?

Ich glaube schon. Ich schreibe sehr gern über Stuttgart und scheue mich nicht davor, mir in meinen Texten bewusst Orte rauszusuchen, die in Berlin keine Sau kennt. „Mit der gelben U1 durch den Tunnel zum Palast“ heißt es in „Für immer wir“ zum Beispiel. Das kapiert ja sonst auch keiner, aber es ist wurscht. Wenn man vom Schlossplatz zum Kap läuft, hat man andere Gedanken, als wenn man in Hamburg durchs Schanzenviertel läuft. Jede Stadt prägt anders.


Ihr habt 2014 den Nachwuchswettbewerb Play Live gewonnen und wart auch im Bandpool der Popakademie Mannheim. An deren Coaching-Methoden und dem Versuch, Popstars zu prägen, gibt es immer wieder Kritik. Deine Meinung dazu?

Play Live und der Bandpool liefern einer Band die Grundwerkzeuge, die sie braucht, um in diesem Piranhabecken nicht sofort unterzugehen. Man muss der dickere Fisch werden oder schneller schwimmen, eine andere Chance gibt es nicht. Das merken wir jetzt auch selbst. Zwar sind wir alle gestandene Musiker zwischen 25 und 30, der Großteil von uns hat sogar Musik studiert; dennoch merken wir jetzt gerade, dass wir absolut keine Ahnung haben. Ohne Menschen, die uns helfen, wären wir zum jetzigen Zeitpunkt völlig aufgeschmissen. Ohne Play Live wären wir gar nicht hier – und ohne den Bandpool hätten wir da draußen keine Chance. Bevor man also solchen Quatsch erzählt, sollte man mal so ein Coaching mitmachen. Man wird nicht geformt oder in eine Rolle gepresst, man erhält lediglich Ratschläge oder wird auf Stärken hingewiesen, die man bisher gar nicht kannte.

Wenn ihr mit eurem Album jetzt durch die Decke geht, habt ihr keine Masken an wie Cro. Der kann immer noch in die Kneipe ohne erkannt zu werden...

Ach, ich glaube, dass man sich seine Fans erziehen kann. Es kommt eben ganz darauf an, wie man wirkt und wie man mit seinen Fans umgeht. Antiheld haben einen sehr engen Fankontakt, wir gehen nach jedem Konzert noch unter die Leute und haben uns miteinander eine sehr respektvolle Beziehung aufgebaut. Ausnahmen gibt es natürlich immer, und wenn ich kurz zum Rewe fahre, um Klopapier zu kaufen, muss ich nicht unbedingt ein Foto mit einem Fan machen. Dafür gibt es ja die Konzerte.

Ihr bezeichnet eure Musik als Straßenköterpop. Passt das eigentlich noch?

Wir sind an unseren Straßenkonzerten unglaublich gewachsen. Unsere Musik wurde dabei auf den kleinstmöglichen Nenner runtergebrochen – pur, reduziert, aufs Wesentliche konzentriert. Wenn du die Leute aber sogar damit flashen kannst und nicht den großen Budenzauber einer Bühne brauchst, dann hast du es geschafft. Die Straße ist bedingungslos ehrlich. Sie kann ein Schlag in die Fresse sein, aber auch beflügeln. Wenn wir also auf dem Schlossplatz 500 Menschen begeistern und innerhalb eines Jahres 4000 Platten verkaufen können, dann muss das doch auch im großen Stil möglich sein.


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