Ein Duo verzaubert bei der Kammermusik in der Haigstkirche mit Klavier und Harmonium.

Degerloch - Den Salon in die Kirche bringen – das geht. Die Kammermusik in der Haigstkirche widmete sich bei ihrem Konzert am Sonntag einem Instrument, das vielleicht wie wenige andere für dieses Halbernste, leicht Abschätzige, etwas Dekadente steht, das der Salonmusik zwischen Gründerzeit und dem französischen Fin de Siècle anhaftet: dem Harmonium. Ein Instrument von 1862, Alexandre, Paris, war herbeigeschafft worden. Und neben dem jungen Miklós Albert bediente Gabriele Marinoni, gleichfalls vor allem vielfach ausgezeichneter Organist, den Flügel, Baujahr 1934. Das war ein wunderbares, charmantes und freundschaftlich fein abgestimmtes Duo aus den Meisterklassen der Stuttgarter Musikhochschule.

 

Der Gastgeber, Volker Lutz, hatte in seiner Begrüßung über den eher bescheidenen Leumund des Harmoniums gescherzt, als Antwort auf Gottes Schöpfung der königlichen Orgel habe der Teufel sich dieses Instrument ausgedacht. Trotz in diesem Fall 16 Register und zweier Koppeln nichts Halbes und nichts Ganzes. Und in der Tat: Natürlich kann so ein Harmonium mal nach Akkordeon oder nach Jahrmarkt anmuten. Aber man kann es zum Beispiel mit den Blasebalg-Pedalen geradezu ätherisch verklingen lassen. Das tat Miklós Albert auch hin und wieder hinreißend schön.

Einzige deutsche Stimme zwischen diesen kaum je zu hörenden Originalwerken aus Frankreich war Sigfrid Karg-Elert, der 1933 gestorbene Spätromantiker und Fan dieses Instruments. Mit den beiden Duo-Sätzen aus den „Silhouetten“ gewöhnten die jungen Musiker an das Eigenartige des Harmoniums, zeigten aber auch schon besondere Möglichkeiten gerade in der Kombination: etwas Volkstümliches, das Schleifen und Ziehen, die keck purzelnden Läufe.

Trotz schlechtem Wetter ein Erfolg

César Franck war ein ebenso großer Komponist und Organist wie Pädagoge. Aus seinem Lehrwerk „L’ Organiste“ für die heimische Miniaturorgel stammten „Six Pièces en sol“, didaktisch geordnet in Dur und Moll, aber höchst charmant, wenngleich sie als Etüden vielleicht eher bei Czerny als bei Chopin liegen. Miklós Albert zog mit seinem Assistenten feinsinnig alle Varianten von Registern und nutzte auch die dezenten Möglichkeiten des Harmoniums zu Steigerungen und Abschlanken über den Luftdruck.

Auch Gabriel Fauré war einer der großen Vielseitigen jener spätromantisch bis impressionistischen Pariser Epoche. Mit dem Impromptu Nr. 6 zeigte Gabriele Marinoni die ganze pianistische Delikatesse und Tiefe, mit der solche vermeintliche Unterhaltungsmusik in den Salons aufwarten konnte. Und mit Sechs Duos für Klavier und Harmonium von Charles-Marie Widor (1844 bis 1937) ließ sich ein Melodiker entdecken, dessen Bedeutung viel zu eng auf die eines Patriarchen der „französischen Orgelschule“ eingeschränkt wird. Schon zu Lebzeiten damals als etwas konservativ aus der Salon-Mode gekommen, hat Widor doch sauber gesetzte, verführerisch schöne Musik geschaffen.

Das wohl wegen winterlicher Wetterunbilden ein wenig kleinere Publikum war begeistert und durfte sich mit einem Wiegenlied von Karg-Elert auf den glatten Heimweg machen.