Die evangelische Kirche will ein Haus der Kirche bauen und andere Immobilien dafür abstoßen.

Degerloch - Fast so wie an Heilig Abend, nur der Christbaum fehlt“, meint eine Besucherin der Degerlocher Michaelskirche augenzwinkernd zu ihrer Nachbarin, als immer mehr Menschen in das Gotteshaus strömen. Warum an einem Mittwochabend trotz einer Liveübertragung des Fußballspiels Galatasaray Istanbul gegen Schalke 04 viele Gemeindeglieder das heimische Sofa mit den harten Holzbänken in der Michaelskirche tauschen, hat einen guten Grund: Die laut Pfarrer Andreas Maurer „allererste Gemeindeversammlung in unserer Kirchengemeinde“. Eine solche werde nur bei ganz wichtigen Themen einberufen. Und Maurer ist sich sicher, dass dieser „Tatbestand erfüllt“ ist.

 

Eine Arbeitsgruppe hat in mehrjähriger Arbeit ein Gemeinde- und Immobilienkonzept entwickelt. Dieses bringt erhebliche Veränderungen in der Gesamtkirchengemeinde Degerloch mit sich. Es wird erstmals öffentlich vorgestellt. Besonders die Michaelsgemeinde wird – sollte das nun vorgestellte Konzept umgesetzt werden – von massiven Veränderungen betroffen sein. Schließlich will die Gesamtkirchengemeinde die beiden am Agnes-Kneher-Platz gelegenen Gebäude mit der Postanschrift Große Falterstraße 8 und 10 in direkter Nachbarschaft zur Michaelskirche von der Stadt erwerben und durch einen Neubau „in gleicher Kubatur ersetzen“, wie der Vorsitzende des Gesamtkirchengemeinderats Peter Necker erläutert.

Verringerung um 35 Prozent

Dafür soll das Gemeindehaus an der Erwin-Bälz-Straße,das ansonsten für einen Millionenbetrag saniert werden müsste, verkauft werden. Auch die Tage des Saals an der Michaelskirche wären dann gezählt. Für andere von der Kirche genutzte Immobilien bringt der Bau eines Hauses der Kirche laut Necker ebenfalls Veränderungen.

Die Kirchengemeinde will mit ihrem neuen Gemeinde- und Immobilienkonzept der Entwicklung der Kirchengemeinde gerecht werden. Diese ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten geschrumpft (siehe Kasten). Schrumpfen soll daher nun auch die Fläche, die den Einrichtungen und Stellen der Gesamtkirchengemeinde im geplanten Haus der Kirche am Agnes-Kneher-Platz zur Verfügung stehen soll. Um rund 35 Prozent, so sagt Necker, werde sich die Fläche verringern – „und so entsprechend auch die Kosten für Heizung und Reinigung“.

Anstelle der beiden Wohngebäude, die bislang neben der Michaelskirche stehen, soll nach einem Architekturwettbewerb ein multifunktionaler Bau entstehen, der aber das Bild des Gesamtensembles nicht groß verändern soll. Ein Teil des Pfarrgartens soll zudem durch einen Saal überbaut werden. Im Haus der Kirche soll die Kirchenpflege unterkommen, es soll Serviceangebote geben und auch ein Teil des Gemeindelebens stattfinden. Über die Einrichtung eines Cafés wird nachgedacht.

„Eine große Chance, sich neu zu orientieren“

Das Jugendwerk, das bisher im Gemeindehaus an der Erwin-Bälz-Straße zuhause ist, soll im Untergeschoss der Heilig-Geist-Kirche unterkommen. Peter Necker sieht das Vorhaben als eine Herausforderung, aber auch als „eine große Chance für die Gemeinde, sich neu zu orientieren“. Generell stoßen die Ideen auf positiven Zuspruch. Lediglich die Dekanatskantorin Barbara Straub kritisiert, „dass die Information zu spät kommt“. Sie findet, dass Kirche in Degerloch „nicht durch repräsentative Gebäude“ erreicht wird, sondern durch lebendige Angebote. Auch kritisiert sie, dass mit den Mietern in den kircheneigenen Gebäuden noch nicht umfassend gesprochen worden sei.

Brigitte Kunath-Scheffold begrüßt die Pläne der Kirchengemeinde. Die Bezirksvorsteherin hofft, „ein städtebauliches Highlight im Zentrum“ zu bekommen. „Ich bin über diese Entwicklung froh“, so Kunath-Scheffold. Sie hatte den Dekan Wolfgang Röhl auch bereits 2011 darüber informiert, dass die Stadt die Gebäude neben der Kirche verkaufen will und sich der Kirchengemeinde so möglicherweise „neue Entwicklungsmöglichkeiten bieten“.

DIE SITUATION DER GESAMTKIRCHENGEMEINDE DEGERLOCH

Hoffeldgemeinde
Die Hoffeldgemeinde ist laut Pfarrer Andreas Maurer gut aufgestellt. Hier soll es keine räumlichen Veränderungen geben.

Versöhnungsgemeinde
Der Gemeindesaal im Gebäude an der Löwenstraße 115 soll von April an in einen Raum für eine zweite Kindergartengruppe umgebaut werden. Für die Gemeindearbeit soll schon vorab in der Versöhnungskirche neuer Raum entstehen.

Michaelsgemeinde
In der Michaelsgemeinde müsste die Kirchengemeinde viel Geld investieren, um Bestandsgebäude zu sanieren. In einem Neubau sollen daher Räume für Angebote der Gesamtkirchengemeinde und der Michaelsgemeinde geschaffen werden. Die Bauarbeiten sollen frühestens Ende 2014 beginnen.

Gemeindeangehörige
Die Gesamtkirchengemeinde Degerloch hat in 20 Jahren mehr als 2200 Mitglieder verloren. Aktuell sind es rund 5300.