Die Band Deichkind vermischt Elemente aus Hip-Hop, Elektro und Punk. Porky, der Bassist der Band, spricht im Interview über das neue Album und illegale Downloads.

Stuttgart - Mit "Remmidemmi" ist der Hamburger Band Deichkind vor knapp sechs Jahren ein Hit geglückt, der einen Hype auslöste. Nie zuvor hatte eine deutsche Band so erfolgreich Elemente aus den Bereichen Hip-Hop, Elektro und Punk vermischt, Deichkind wurden zum Vorreiter einer ganzen Szene. Doch die Bandgeschichte kennt nicht nur Höhepunkte: Völlig unerwartet verstarb 2009 Sebastian Hackert, ihr Produzent. Drei Jahre nach seinem Tod erscheint nun das erste Deichkind-Album ohne ihn. Im Interview spricht das Bandmitglied Porky darüber, wie schwierig es war weiterzumachen - und ruft die Fans zum illegalen Download der eigenen Songs auf.

 

Porky, ein Freund und Bandmitglied ist tot - kann man danach zur Tagesordnung übergehen und Musik machen wie zuvor?

Nein, natürlich nicht. Die Sache mit Sebi war wirklich heftig für uns und hat uns alle mitgenommen. Aber es musste eben auch weitergehen, Sebi hätte es nicht anders gewollt. Während also in der Öffentlichkeit noch darüber spekuliert wurde, ob wir überhaupt als Deichkind weitermachen, saßen wir schon wieder im Studio und haben an neuen Sachen gebastelt. So ein Album braucht seine Zeit, bis es gut ist, da wollten wir nicht ewig warten. Und ich finde, diesen Drang, wieder mit etwas rauskommen zu wollen, den hört man dem neuen Album auch an.

Die erste Single "Bück dich hoch" läuft mittlerweile im Radio. Wie fühlt sich das an, gerade vor dem sehr ernsten Hintergrund?

Das fühlt sich auf jeden Fall geil an. Alle Bands sagen ja immer, dass ihr neuestes Material das beste sei, das sie je gemacht haben. In unserem Fall stehe ich aber wirklich dahinter. Ich finde die CD richtig gut und freue mich auch total auf die Tour. Grade nach dem Stress, den wir hatten, mit unserem Theaterstück in Hamburg und Sebis Tod, ist es gut, dass es wieder vorangeht.

Dieses Theaterstück ist eine Inszenierung in Hamburg gewesen, bei der die Band als Deichkind die Hauptrolle gespielt hat. Wie war das rückblickend?

Für mich war das überhaupt nichts. Das war auch eine Geschichte, die vielen Fans nicht gepasst hat. Es wurde so aufgefasst, als würden wir jetzt zwangsläufig einen auf Selbstreflexion machen wollen. Ich kann völlig verstehen, dass die Leute davon zum Teil gelangweilt waren. Ich hätte die Zeit zum Erholen gebraucht, und außerdem war es überhaupt nicht mein Ding, wie wir uns da offenbart haben. Ich gefalle mir mehr in der Rolle des kostümierten Deichkind-Bandmitglieds mit Tarnkappe. Unterm Strich bin ich eben Musiker und kein Schauspieler. Bei uns in der Band gibt es aber auch andere Meinungen dazu, Ferris zum Beispiel hat es sehr gut gefallen. Aber wie auch immer: es war eine einmalige Sache, zumindest für mich.

Jetzt kehrt ihr ja zum Wesentlichen zurück, nämlich dem Musikmachen. Am 10. Februar erscheint euer neues Album "Befehl von ganz unten"...

...über das ich sagen muss: Wir werden immer besser und haben den Sound konsequent weiterentwickelt. Wenn wir zusammen Musik machen, dann klingt das automatisch nach Deichkind, das geht uns einfach so von der Hand. Aber natürlich haben wir uns auch Unterstützung geholt. Das komplette Schlagzeugset haben wir zum Beispiel bei Peter Fox aufgenommen, der uns insgesamt sehr geholfen hat. Es war ein tolles Gefühl, ohne jede Zwänge und Vorgaben Musik zu machen - wir haben während der Arbeit nie an unsere Plattenfirma gedacht. Bei anderen Bands ist das anders, da ist das Label schon sehr dahinter. Die wollen dann, dass der Refrain gleich zu Beginn des Songs kommt, oder dass alles schön poppig klingt. Aber das ist uns egal. Wenn denen nicht gefällt, was wir machen, dann sind wir halt nicht mehr bei der Plattenfirma.

Ähnlich unkonventionell ist auch ein Aufruf, den man immer wieder von euch hört. Ihr fordert eure Fans dazu auf, eure Songs illegal runterzuladen. Warum denn das?

Ganz einfach: man muss sich bei uns nicht einkaufen, um Deichkind-Fan zu sein. Wer kein Geld hat, kann sich die Sachen einfach so runterladen, wer ein bisschen was ausgeben möchte, kann das natürlich auch gerne tun. Mich freut es einfach nur, wenn den Leuten unsere Musik gefällt. Wir sind sowieso schon reich und gestopft, mehr brauchen wir gar nicht. Übrigens ähnlich wie bei den Verkäufen unserer Konzerttickets: wenn keiner mehr hören will, was wir da machen, dann spielen wir auch wieder in 500er-Läden, kein Problem!

Wo wir gerade bei Konzerten sind: ihr habt euch bisher live ja sehr gerne mit bunten Kostümen und aufwendiger Deko inszeniert. Bleibt es dabei?

Definitiv! Was wir da planen, ist unglaublich. Passend zur Show hatten wir eigentlich Daft Punk und Rammstein als Vorband angefragt, aber die wollten kein Geld haben - das fanden wir nicht okay. Nein, ernsthaft: wir wiederholen den alten Wahnsinn nicht nur, sondern legen noch eine Schippe drauf. Es muss einfach immer das Gefühl dabei sein, dass etwas schiefgehen kann, weil was neu ist. Dieses Mal haben wir für die Bühne zum Beispiel riesige Hünengräber gebastelt oder auch sechs Meter hohe Säulen, die durch die Gegend fahren. Selbst gebaut, mit Schweißgeräten und allem, was dazugehört. Das ist wirklich absolut irre!

Zwischen Hip-Hop und Elektro

Karriere Deichkind begann Ende der Neunziger mit Hip-Hop-Beats, schuf dann aber einen experimentellen Elektro-Stilmix, der auch in den Songs "Remmidemmi" und "Arbeit nervt" zum Ausdruck kommt. Zur Gruppe gehören Philipp "Kryptic Joe" Grütering , Sebastian "Porky" Dürre (Bild), DJ Henning Besser und Ferris MC als "Ferris Hilton". Das neue Album "Befehl von ganz unten" erscheint am 10. Februar.

Tour Live zu sehen gibt es Deichkind am 7. März in der Stuttgarter Schleyerhalle. Für die Show sind noch Tickets zu haben.