Herr Tripcke, die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland ist die höchste in Europa. Da könnte was auf die DEL zukommen . . .
Wir waren durch die Olympiapause und die Verlängerung der Hauptrunde Mitte Februar mit der Planung ajour – dass so viele weitere Spiele ausfallen, hatten wir so nicht auf dem Schirm. Wir dachten, dass sich die Situation mit den neuen Regeln zur Kontakt-Quarantäne entspannt. Aber das ist leider eher noch schlimmer geworden. Es nervt, weil es zum Teil nicht nachvollziehbar ist. Wenn Mannschaften mit zwei, drei positiv getesteten Spielern bis zu zehn Tage in Quarantäne gesteckt werden, fragt man sich schon, wie das funktionieren soll. Gesundheit geht vor, aber wenn 15 und mehr gesunde Spieler tagelang in Quarantäne gesteckt werden, dann ist das für den Spielbetrieb nicht planbar.
Müsste die Politik die Regeln justieren?
Die Regeln sind klar, dann gibt es ja aber eine Generalklausel des Gesundheitsamtes: Sie können, aber müssen nicht von einer Quarantäne absehen, wenn du als Person geboostert bist – was sie wohl bei 99 Prozent der Menschen machen. Wenn ich mir die letzten Fälle anschaue, da war in Augsburg ein großer Ausbruch, da war die Mannschaft nicht spielfähig. Aber in den anderen Standorten wie Bietigheim, Schwenningen oder Nürnberg waren es wenige positive Fälle. Die wären vor Weihnachten eher nicht in Team-Quarantäne geschickt worden, und jetzt auf einmal wird komplett anders gehandelt.
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Damit ist klar, dass nicht alle Hauptrundenspiele ausgetragen werden können.
Ja, davon müssen wir ausgehen. Stand heute sind wir bei neun Spielen, die noch nicht terminiert sind. Um die zehn Spiele dürften wohl nicht nachgeholt werden können, was bei einer Gesamtzahl von 420 Spielen verschmerzbar ist. Ich kann mir aber Ihre nächste Frage schon vorstellen.
Dann fragen Sie sich für mich.
Der Punktequotient (Punkte geteilt durch Spiele zur Ermittlung der Tabelle, d. Red.). Er ist von den 15 Clubs einstimmig beschlossen worden für den Fall der Fälle, dass nicht alle Spiele stattfinden. Deshalb wurde das vorausschauend eingeführt, es mag durchaus unschön sein und wäre bedauerlich, wenn der Quotient beim Abstieg entscheidet. Natürlich ist die Tür immer auf für Diskussionen: Hätte ich drei Spiele mehr gemacht, wäre der Quotient besser und so ähnlich. Wir müssen mit der Thematik leben, wir gehen weiter davon aus, dass die Clubs alles tun, um möglichst viele Spiele zu absolvieren, damit die Unschärfe möglichst gering bleibt.
Die Augsburger Panther haben 42 Spiele bestritten, die Kölner Haie 52.
Augsburg ist das Extrembeispiel, die dürften bei etwa 52 oder 53 Spielen landen, dann wäre das nicht ganz so schlimm, weil die Differenz nicht mehr bei zehn Spielen läge. Vielleicht hat sich vieles durch die gewonnenen Punkte ohnehin erledigt, aber klar kann diese Regel sehr harte Auswirkungen haben. Vergangene Saison haben die Schwenninger wegen 0,1 Punkten die Play-offs verpasst – und wenn es um den Abstieg geht, sind die Auswirkungen noch viel größer. Aber noch mal: Es war allen bewusst, wir mussten einen Weg finden.
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Die Krefeld Pinguine haben darüber nachgedacht, im Falle eines Abstieges nach der Quotientenregel den Rechtsweg zu beschreiten.
Das kann man nie ausschließen. Unsere Regularien stehen fest, die müssen wir einhalten und bis zum Ende durchziehen wie beschlossen. In dieser Sache dürfen wir uns nicht angreifbar machen. Wenn dann ein Club meint, er müsse dagegen vorgehen, steht das außerhalb unserer Macht. Ich mache mir da keine allzu großen Sorgen, denn ich bin überzeugt, dass wir die beschlossenen Regularien korrekt umgesetzt haben.
Dass die Abstiegsregel nicht komplett aufgehoben wird, war keine Option?
Da haben wir ja nachverhandelt und einen möglichen zweiten Absteiger ausgeschlossen, sollten die Frankfurt Lions aufsteigen. Folglich ist dieser Schmerz ein wenig gelindert, aber natürlich hat die zweite Liga ein Interesse daran, dass das System Auf- und Abstieg funktioniert. Und es ist ja auch eine interne Frage der DEL, weil wir nicht mit 15 oder gar 16 Teams spielen wollen, unsere Sollgröße ist 14 – darauf ist der gesamte Spielplan ausgelegt. Wir müssen dabei auch an unseren TV-Partner denken, weil mehr Spiele höhere Produktionskosten bedeuten.
In der DEL 2 haben fast alle Clubs sämtliche Hauptrundenpartien bestritten. Was lief dort besser?
Erstens mussten sie nur 52 statt 60 Spiele terminieren, und zweitens mussten sie keine vierwöchige Olympiapause einplanen. Wir konnten während Olympia lediglich dosiert einige Spiele austragen, in denen keine Nationalspieler involviert waren. Ohne Olympia wäre der Zeitplan in der DEL auch nicht so gestopft voll.
Bekommen Sie mit Blick auf die Play-offs nicht Bauchschmerzen, wenn Sie an mögliche Team-Quarantänen denken?
In der Hauptrunde gilt bei coronabedingten Absagen, dass ein Spiel verlegt werden muss und, sofern das nicht möglich ist, dass es nicht gewertet wird. Das ist in der K.-o.-Serie keine Option. In den Play-offs gilt, wenn ein Team wegen Corona nicht antritt, ist nicht die Serie, wohl aber das Spiel verloren. Theoretisch ist es möglich, wenn sich Spieler freitesten können, dass ein Club die Serie noch drehen kann. In dieser Sache müssen die Clubs bei den Gesundheitsämtern noch massiv Aufklärung leisten, dass eine Team-Quarantäne das Saisonende bedeuten kann. Es dürfte einigen nicht bewusst sein, welche Kosten und Probleme sie da auslösen können. Beim Fußball wundere ich mich schon.
Inwiefern?
Der FSV Mainz 05 hatte kürzlich 19 positive Fälle, und deshalb wurde das Bundesliga-Spiel abgesagt, alles richtig und gut – doch der Rest des Kaders musste nicht in Quarantäne. Vielleicht sind die entsprechenden Stellen da sensibler und sich bewusst, dass es um Millionen geht, und wollen sich lieber nicht einmischen. Ich kenne die genaue Sachlage nicht, aber bei 19 positiven Fällen keine Kontakt-Quarantäne anzuordnen, finde ich andersrum bemerkenswert.
Sind das Sonderrechte des Fußballs?
Der Fußball hat es leichter als wir, die haben in der Bundesliga pro Woche ein Spiel, das kann man einfacher neu terminieren. Wir verlieren drei, womöglich sogar vier Spieltage, wenn ein Team nicht antritt. Die Eishockey-Taktung ist zudem viel enger, weil dort eine Quarantäne viel größere Auswirkungen hat und viel schwerer reparabel ist.
Ist es eine Option, die Play-offs auf den Modus Best of three zu verkürzen?
Das mag vom einen oder anderen ein Gedankenspiel sein, aber es gibt vonseiten der Liga nichts Konkretes oder gar einen Antrag. Ich denke, das wäre den Clubs, den Fans und den Partnern schwer vermittelbar. Der Best-of-five-Modus, den wir beschlossen haben, ist ohnehin ziemlich zusammengepresst.
Glauben Sie, dass die Saison 2022/2023 wieder normal ablaufen wird?
Schwer zu sagen, weil wir noch ein anderes weltpolitisches Problem mit dem Krieg in der Ukraine dazubekommen haben. Es wird sicher nicht einfacher. Ich glaube, dass die DEL wohl zwei bis drei Jahre brauchen wird, sobald die Restriktionen aufgehoben sind, um wirtschaftlich aufs Vor-Corona-Niveau zu gelangen. Es wird schwierig bleiben.