DEL-Club Steelers Bietigheim So geht Steelers-Profi Jalen Smereck mit Rassismus um

In der Ukraine bei HC Donbass Donezk musste Jalen Smereck einen schlimmen Eklat hinnehmen, seit Mitte Oktober ist er bei den Steelers unter Vertrag. Foto: Baumann

Der dunkelhäutige Eishockeyprofi der Bietigheim Steelers hat schon viel Rassismus erlebt – ein Grund, sich zu verstecken, war das für den US-Amerikaner nie.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Bietigheim-Bissingen - Es hätte eine Erfahrung werden sollen für Jalen Smereck, ein nostalgischer Blick in die eigene Familiengeschichte. Doch aus dem Trip in die Ukraine wurde ein kurzer, heftiger Albtraum. Der 24-Jährige, in Detroit geboren und aufgewachsen, suchte einen Weg, seine ins Stocken geratene Eishockey-Karriere zu beschleunigen, die in den USA in den zweitklassigen Ligen AHL und ECHL nur dahinplätscherte. Jalen Smereck entschied sich, beim HC Donbass Donezk zu unterschreiben, weil seine Familie väterlicherseits aus der Ukraine stammt. „Ich wollte die Heimat meiner Vorfahren kennenlernen“, erzählt der Profi, „ich wollte erfahren, wo meine Wurzeln liegen. Ich dachte, das sei gut für mich und meine Eishockeylaufbahn.“

 

Doch Jalen Smereck hatte sich gründlich getäuscht. Das Leben war eintönig und öde, weil der Club wegen des Krieges nicht in Donezk seinen Sitz hatte, sondern in Druschkiwa, gut zwei Stunden nördlich der 1,1-Millionen-Metropole. Es gab außer Training und Spielen nichts zu erleben in der Provinz, zudem sprach kaum jemand Englisch, und der US-Amerikaner trotz seiner Herkunft kein Wort Russisch. „Es war ernüchternd“, räumt Smereck ein. Und dann wurde es abscheulich. Im Spiel gegen HK Kremenchuk geriet der Verteidiger heftig an Gegenspieler Andrei Denyskin, und der imitierte beim Wegfahren das Schälen und Essen einer Banane. „So was Beschämendes habe ich noch nicht erlebt“, sagt der dunkelhäutige Spieler.

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Als der ukrainische Verband die Sperre von Denyskin für die Zahlung einer lächerlichen Geldstrafe von etwa 1700 Euro von 13 auf drei Partien verkürzte, stand für Jalen Smereck fest: Das Land meiner Vorfahren wird nie meine Heimat werden, er suchte nach nur fünf Spielen für Donbass Donezk einen neuen Club – und landete bei den Steelers aus Bietigheim, die den 24-Jährigen bereits im Sommer auf ihrem Radar gehabt hatten und die ihre Defensive im Kampf gegen den Abstieg aufrüsten wollten. „Er ist ein läuferisch starker Verteidiger, der gut in unser System passt“, betonte Trainer Daniel Naud bei der Verpflichtung vor vier Wochen.

Vor dem Spiel der Bietigheimer am Freitag bei den Kölner Haien hat der Neuzugang zehn Spiele für den Club aus der Deutschen Eishockey Liga (DEL) bestritten, hat einen Treffer und sechs Vorlagen beigesteuert. „Ich bin recht zufrieden mit meiner Leistung“, sagt der 186 Zentimeter große und 86 Kilogramm schwere Linksschütze, „aber natürlich arbeite ich hart, um mich zu verbessern.“

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Einen Vorfall wie in der Ukraine hat Jalen Smereck in der DEL noch nicht erlebt, aber er rechnet immer und überall mit bösartigen Beleidigungen oder aggressiven Anfeindungen – er wird die Geister der Vergangenheit nicht los. „Ich habe mein Leben lang mit Rassismus zu kämpfen“, erzählt er, „mal sind es Fans, mal Gegenspieler, und manchmal sogar die Teamkollegen.“ Schon in der Jugend in den USA wurde er mit abfälligen Gesten oder Bemerkungen konfrontiert, auch deshalb, weil er als schwarzer Junge auf dem Eis eine so verschwindend kleine Minderheit darstellte wie der weiße Musiker Eminem unter den dunkelhäutigen Rap-Stars. Eishockey ist ein Sport der Weißen, auch weil die Ausrüstung nicht billig ist. „Aus dem Stadtteil, aus dem ich komme“, betont Jalen Smereck, „konnte sich das keiner leisten.“

Der Steelers-Profi lebt mit Rassismus wie mit einer lästigen, chronischen Krankheit, die immer wieder zuschlägt und schmerzt; er hat längst die Hoffnung aufgegeben, dass sich bald etwas daran ändern wird. Jalen Smereck glaubt nicht, dass Strafen für Spieler, Clubs oder Fans, selbst wenn sie deutlich drakonischer ausfallen als in der Ukraine, ein Umdenken bewirken. „Rassismus ist kein Problem allein im Eishockey oder im Sport“, sagt der Amerikaner, „es ist eines, das die gesamte Gesellschaft betrifft.“ Gelegentlich zischte der Gedanke, alles hinzuwerfen, die Karriere abzuhaken und ein neues Leben zu beginnen, durch seinen Kopf – doch stets nur für ein paar Sekunden. Aufgeben? Das ließ sein Stolz nicht zu. Jalen Smereck wollte sich in einer mitunter feindlichen Umgebung behaupten. Es ist ihm bis heute gelungen.

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