Demo auf Mallorca Die Touristenhochburg soll viel leerer werden
Die Insel lebt vom Tourismus. Trotzdem sind 20 000 Mallorquiner auf die Straße gegangen, um gegen die Besucherströme zu demonstrieren.
Die Insel lebt vom Tourismus. Trotzdem sind 20 000 Mallorquiner auf die Straße gegangen, um gegen die Besucherströme zu demonstrieren.
Eine Botschaft an die da draußen, also auf Englisch: „Artà is overrated. Don’t visit it.“ – zu deutsch: „Artà wird überbewertet. Besuchen Sie es nicht“. Artà ist ein Städtchen mit gut 8000 Einwohnern im Nordosten Mallorcas und wird gewöhnlich nicht von Touristen überflutet. So soll es bleiben, findet die Frau, die das Plakat am Sonntagabend in die Höhe hält. Sie ist eine von gut 20 000 Demonstranten, die sich am Sonntagabend in Palma unter dem Motto zusammengefunden haben: „Lasst uns die Richtung ändern. Lasst uns dem Tourismus Grenzen setzen.“ Sie meinen die Touristen, die auf Mallorca und den anderen Baleareninseln ankommen. Dieses Jahr wahrscheinlich 20 Millionen Menschen, so viele wie nie. Das ist ein gewaltiger Erfolg. Und ein gewaltiges Problem, finden die Demonstranten.
Gut 100 Mallorquiner Vereine hatten zu dem Protestmarsch aufgerufen und sich auf einen achtseitigen Aufruf geeinigt, in dem sie ihre Forderungen zusammenfassen. „Wir fordern nicht ein anderes Tourismusmodell, sondern ein anderes Wirtschaftsmodell“, steht in dem Aufruf, „ein gerechtes und egalitäres Modell. Wir setzen auf eine lokal diverse, diversifizierte, plurale und transformierende Ökonomie, die sich den ökologischen und sozialen Bedingungen des Territoriums anpasst.“ Danach wird es konkreter.
Erster Punkt: ein garantiertes Recht auf eine Wohnung. Inselfremde sollen sich erst nach einigen Jahren Aufenthalt eine Immobilie kaufen können. In ganz Spanien ist eine heiße Diskussion über den Umgang mit Ferienwohnungen im Gange, darüber, ob man diese Immobilien beschränken oder ganz verbieten sollte. Jedenfalls bringen viele Analysten die Ferienwohnungen mit dem abnehmenden Angebot an gewöhnlichen Mietwohnungen und deshalb steigenden Mieten in Verbindung, wie sie fast alle größeren Städte und andere Ferienziele erleben. Wenig beachtet werden in dieser Debatte die vielen nach dem Bauboom der Neunziger- und Nullerjahre immer noch leer stehenden Wohnungen. Nach Zahlen der Lokalzeitung „Diario de Mallorca“ vom vergangenen Sommer gibt es auf Mallorca eine halbe Million Wohnungen, von denen 80 000 leer stehen; das Konkurrenzblatt „Última Hora“ berichtete von 10 5000 unbewohnten Wohnungen auf allen Baleareninseln. Das wäre ein Handlungsansatz für die Regionalregierung.
Zweiter Punkt: keine öffentlichen Investitionen mehr für den Infrastrukturausbau, konkret für Flughäfen, Häfen, Landstraßen und Meerwasserentsalzungsanlagen.
Dritter Punkt: Weniger Flüge, Verbot von Privatjets, Moratorium für Kreuzfahrtschiffe, weniger Vergnügungsboote.
Die Mallorquiner Tourismuskritiker meinen es ernst: Sie wollen, dass weniger Menschen auf Mallorca ankommen. Das liefe auf ein Zugangsmodell für die Insel hinaus, das dem von großen Touristenattraktionen, etwa der Alhambra in Granada, ähnelte. Ein Ende der offenen Himmel und der offenen Grenzen. Eine Idee, die im Moment mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt.
Letzter Punkt: kein zusätzliches Gästebett auf Mallorca. Das wäre ein leichter umsetzbarer Ansatz, um den Touristenzustrom in Grenzen zu halten. Hotels und Ferienwohnungen brauchen Lizenzen, die lassen sich weiter beschränken.
Einer der Starkommentatoren der Zeitung „Diario de Mallorca“, Matías Vallés, schrieb am Montag nach der Demo: Für die „Rettung Mallorcas“ seien zwei Maßnahmen erforderlich: „Die Reduktion der Zahl der Touristen auf die Hälfte. Die Verringerung der Bevölkerung um 20 Prozent.“ Ob er selber schon die Koffer packt, darüber hat er nichts geschrieben.