Mit Traktoren und Transparenten haben in Berlin fast 30.000 Verbraucher und Landwirte gegen industrielle Landwirtschaft, Billigexporte, Gentechnik und das US-Freihandelsabkommen demonstriert. „Wir haben es satt“, schallte es über den Platz vor dem Kanzleramt.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Berlin - Kai Richter führt den Treck der mehr als 50 Traktoren an. „Mich beeindruckt, dass sich manche bis zu 16 Stunden auf den Schlepper setzen, um nach Berlin zu fahren.“ Richter selbst kommt aus Blankenfelde, einem Vorort von Berlin. Dort arbeitet er in einem Projekt mit, das Wohnen mit landwirtschaftlicher Arbeit verbindet, dort hat „schon Gregor Gysi das Melken gelernt“. Im Zentrum der Hauptstadt, vor dem Kanzleramt, protestiert Richter für „Bauernhöfe statt Agrarindustrie“. Anders als im vergangenen Jahr müssen die Demonstranten nicht Schnee und eisigem Wind trotzen. Es ist kalt, aber die Sonne scheint. Zu denen, die stundenlang über Landstraßen getuckert sind, gehört Jan Wendel. „Ich sehen meine Zukunft in der Landwirtschaft“, sagt der junge Mann aus Schleswig-Holstein. „Aber ich sehe nicht, dass die Politik dafür sorgt, dass die Höfe erhalten bleiben“, kritisiert Wendel, gebürtiger Schwabe aus Ehingen.

 

Bauernpräsident Joachim Rukwied wird auf einem Transparent hart angegangen: „Erzählt der Rukwied wieder Mist, ändert sich’s Wetter, oder es bleibt, wie es ist.“ Rukwied, der einen Hof in der Nähe von Heilbronn hat, gehört für viele der Demonstranten zu den Vertretern einer Landwirtschaft, die sie gerade nicht haben wollen. Rukwied, so schallt es später von der Kundgebungstribühne, sei im Grunde ein Vertreter einer industrialisierten Landwirtschaft, nicht der kleinen Bauern. Doch obwohl die Demonstration von Biobauern und anderen alternativen Verbänden veranstaltet wird – auch an „Bio“ gibt es Kritik. „Wir haben bei uns im Ort einen Biohof mit 36 000 Hühnern“, erzählt Matthias Rackwitz aus dem Landkreis Dahme-Spreewald. „Was ist denn da noch Bio?“

Scharfe Kritik am Freihandelsabkommen mit den USA

An Fantasie fehlt es den knapp 30 000 Demonstranten nicht. Einer rattert auf einem kleinen alten Traktor „Porsche“, luftgekühlt, durch die Berliner Häuserschluchten, ein anderer Traktor zieht ein Stofftuch mit der Aufschrift „wir lassen uns nicht platt machen“ durch die Straßen, manche verkleiden sich als schwarz-weiß gefleckte Kühe, andere tragen Schweinemasken. Der Passant mit Schiebermütze und Fahrrad, der an der Straße Unter den Linden erst mal die Demonstranten passieren lassen muss, hat durchaus Sympathie für deren Anliegen: „Die USA verhandeln nur dann über etwas, wenn sie davon Vorteile haben“, meint er zu dem geplanten Freihandelsabkommen. „No, we can’t – kein Freihandelsabkommen mit den USA“ steht auf einem Transparent am Traktor von Gut Grauscha, einem Biobetrieb in der Lausitz. Das Abkommen ist fast allen, die hier zusammengekommen sind, ein Dorn im Auge. Die Veranstalter haben sogar Carlo Petrini, den Gründer von Slow Food, aufgeboten: „Kein Freihandelsabkommen“ fordert dieser und kündigt an: „Vor der Europawahl werden wir alle Kandidaten fragen, auf welcher Seite sie stehen.“