Die Wohnstadt Asemwald ist der älteste Stadtteil in Stuttgart. Das hat laut einer Expertin auch mit einer sogenannten Beharrungstendenz zu tun. Gleichzeitig gibt es Verjüngungstendenzen.

Asemwald - Der Stadtteil besteht aus drei fast 70 Meter hohen Wohnklötzen mit bis zu 23 Stockwerken. Von Weitem ähneln sie Plattenbauten aus der ehemaligen DDR. Monotone, wuchtige Massenbehausung. Kein Wunder, meint man, dass lange Zeit wenig junge Menschen zugezogen sind. Der Asemwald, auch genannt „vertikales Quartier“, ist der bevölkerungsälteste Stadtteil Stuttgarts. Das Durchschnittsalter lag laut dem Statistischen Amt der Stadt Stuttgart im Jahr 2020 bei 60 Jahren. Für die Gesamtstadt liegt es bei 42 Jahren. Zwischen 1973 und 2020 hat sich das Durchschnittsalter der Asemwalder um 24 Jahre erhöht. Eine Prognose zur zukünftigen demografischen Entwicklung ist schwierig.

 

Der Asemwald verzeichnet den höchsten Altenquotienten Stuttgarts. Dieser kennzeichnet die Anzahl der ab 65-jährigen Einwohner bezogen auf die 20- bis unter 65-jährigen Einwohner in Prozent. Während er im Asemwald 116,5 Prozent im Jahr 2020 betrug, liegt er in Stuttgart bei 28,2 Prozent. Der Anteil der Kinder unter zehn Jahren liegt bei knapp fünf Prozent, der Anteil der ab 65-jährigen beträgt fast 35 Prozent.

Familien bleiben lange in der Wohnung

Christina Simon-Philipp, Studiendekanin des Masters Stadtplanung, führt den hohen Altenquotienten auf die sogenannte Beharrungstendenz zurück. Gemeint ist damit, dass Familien oder besser Paare in einmal bezogenen Wohnungen bleiben, auch wenn die Kinder ausgezogen sind. So ziehen bestimmte Bevölkerungsgruppen geballt in einem Zeitraum zu und weg – junge Erwachsene, wie auch alte Menschen, die versterben oder ins Pflegeheim kommen.

Die Zahlen des Statistischen Amts der Stadt Stuttgart stützen dies. In den 1970er Jahren zogen viele junge Familien in die Drei-Scheiben-Häuser. Ein Viertel der Bewohner war damals zwischen 30 und 40 Jahre alt. Der Anteil der unter Zehnjährigen lag bei 13 Prozent. Der Anteil der über 70-Jährigen betrug nur fünf Prozent. „Der hohe Altenquotient zeugt von einer extrem langen Wohndauer und einer hohen Wohnzufriedenheit“, so Christina Simon-Philipp.

Nicht als sozialer Wohnungsbau konzipiert

16 Prozent der heutigen Asemwalder leben seit dem Jahr 1981 oder länger in der Wohnstadt. Die damals circa 30- bis 35-Jährigen sind heute ungefähr 80 Jahre alt. Der Asemwald sei nicht als sozialer Wohnbau, wie die Großstrukturen auf dem Fasanenhof oder in Mönchfeld, konzipiert, sondern als hochwertige Eigentumsanlage. Deshalb falle die Bevölkerungsfluktuation geringer aus als bei Mietwohnanlagen.

Zudem eignet sich der Asemwald durch seine Barrierefreiheit besonders für ältere Menschen. Laut Zahlen des Statistischen Amts sind in den vergangenen Jahren vermehrt Menschen im Alter von 50 bis 80 Jahren zugezogen. Viele Senioren verließen erst mit über 80 Jahren ihre Wohnungen, andere blieben bis zum Lebensende. Dies ist laut Wolfgang Walla, Redakteur der Festschrift zum 40-jährigen Bestehen des Asemwald vor zehn Jahren, auf „viele günstige Bildungs- und Erwerbsbiografien der hiesigen Bevölkerung zurückzuführen“.

Drei Wohnungen um einen Aufzug herum als kleine Nachbarschaft

Attina Mäding, Mitarbeiterin des Statistischen Amts Stuttgart, sagt: „Viele hochbetagte Bewohner werden den Asemwald in den nächsten Jahren verlassen oder versterben. In welcher Form dadurch ein Generationenwechsel eintritt, hängt davon ab, für wen die Wohnungen und das Umfeld heute und in Zukunft attraktiv sind.“ Entscheidend sei, ob vermehrt junge Familien zuziehen oder weiterhin eher die Generation 50 plus.

Laut Simon-Philipp seien die Vorzüge des Asemwald für alle Altersgruppen gleichermaßen attraktiv. Darunter der Komfort der Wohnungen mit teils Ausblick vom Fernsehturm bis zur Schwäbischen Alb, die Konzipierung von jeweils drei Wohnungen um einen Aufzug herum, die trotzdem kleine Nachbarschaften ermögliche, sowie die Treffpunkte in den Eingangsbereichen. Zudem sei die infrastrukturelle Ausstattung der Wohnanlage attraktiv. Mit Birkacher Feld und Waldgebiet rund um die Wohnblöcke sei die Wohnanlage besonders zukunftsfähig.

Trotz der Überalterung des Asemwald, es gibt auch Verjüngungstendenzen: Seit 2013 sind vermehrt jüngere Altersgruppen zugezogen. Der Anteil der Kinder ist seitdem um zwei Prozentpunkte gestiegen. Marita Arnold, Leiterin des katholischen Kindergartens im Asemwald sagt, dass sie in diesem und dem vergangenen Jahr erstmals Kinder aus der Wohnstadt selbst nicht mehr aufnehmen konnte. „Inzwischen wohnen wieder sehr viel mehr Familien im Asemwald, und deshalb ist die Anfrage sehr viel größer“, so Nicole Höfle, Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Katholischen Stadtdekanats.